Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Die „Schuld“ der Flotte 139 
deutsche Kreise redeten es bald den Feinden nach, die Autokratie und 
die Militärkaste hätten den Krieg verbrochen; und diejenigen, welche 
nicht ihrem Willen nach, aber in Wirklichkeit die Zerstörung der Mon- 
archie eingeleitet und die Fundamente deutscher Kraft und Selbständig- 
keit ins Wanken gebracht haben, drängten sich nach der Revolution 
angeblich danach, vor einem Staatsgerichtshof die „Wahrheit“ zu sagen. 
Die Mißdeutbarkeit der Bethmannschen Politik im Juli 1914 hat 
nicht nur unsere diplomatische Lage im Krieg und beim Friedens- 
schluß verschlechtert, sondern auch die deutsche Neigung zur Selbst- 
bezichtigung in einer Weise gestärkt, welche die ganze fernere Zukunft 
unseres Volkes zu beschatten droht. Denn die Feinde, welche die 
Schuld am Krieg auf das deutsche Volk abzuladen wünschen, fanden 
im Schoß des deutschen Volkes selbst gefällige Agenten, um uns ein- 
zureden, daß wir den Krieg vom Zaun gebrochen hätten. Die Mißgriffe 
der deutschen Politik in diesen Wochen habe ich angedeutet, und sie sollen 
nicht beschönigt werden. Niemals aber sind wir die Schuldigen am 
Krieg. Schuldig am Krieg wie an seiner barbarischen Führung sind 
einzig und allein die Machthaber in London, Paris und Petersburg. 
Wie konnte darüber auch nur der leiseste Zweifel aufkommen? Wie 
kann das deutsche Volk vergessen, daß die belgischen Gesandten, hell- 
sichtiger als die deutschen Diplomaten, den Kriegswillen der Entente 
und ihre gegen Deutschland gesponnene Verschwörung mehrere Jahre 
vor dem Krieg unzweideutig bloßgelegt haben? Die Schuld der Entente 
liegt auch fest in ihren Taten: sie, die Elsaß-Lothringen dem deut- 
schen Mutterland entreißen, das deutsche Volk zum Lohnsklaven des 
angelsächsischen Kapitalismus machen, die österreich-ungarische Mon- 
archie auflösen und das türkische Reich vernichten wollte; sie, die mit 
Schwert, Hunger, Internierung, Handelsraub und moralischer Ver- 
giftung kämpfte, bis das Sterben unseres Volkes besiegelt war; sie, 
welche die seit Jahrzehnten gezeigte Feindschaft sofort in die Tat um- 
setzte, als ihr die Verhandlungen des Juli 1914 hierzu eine besonders 
günstige Gelegenheit boten; sie wird sich durch die heuchlerische Aus- 
nützung unserer unglücklichen Politik nicht auf die Dauer dem welt- 
geschichtlichen Urteil über ihre Verbrechen am Geiste der Menschheit 
entziehen können.
	        
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