180 Die Hochseeflotte im Kriege
pedobootsangriffe gegen ihn anzusetzen. Das Erscheinen unserer Flotte
außerhalb der Helgoländer Bucht muß in den Dispositionen der feind-
lichen Flottenleitung Unsicherheit hervorrufen und Gegenmaßregeln ver-
anlassen, die die feindliche Flotte oder wesentliche Teile von ihr in die
Nähe unserer Küste bringen werden. Nur so, d. h. durch Initiative
unsererseits, kann sich die Flotte die Gelegenheit zur Schlacht oder
doch wenigstens zur erfolgreichen Torpedobootsverwendung schaffen. Über-
läßt sie die Initiative dem Gegner und wartet in den Flußmündungen
ab, bis dleser die Schlacht gewissermaßen anbietet, so wird sie stets stark
überlegene und vorbereitete Streitkräfte vor sich haben, gegen welche
sie sich aus den Flußmündungen kaum noch mit Aussicht auf Erfolg
entwickeln kann.
2. Die energische Verwendung von Torpedobooten ist meines Erachtens
nur möglich, wenn diese mit starken Streitkräften, am Besten mit der
ganzen Flotte als Rückhalt, zum Ansatz gebracht werden. Andern-
falls treffen sie bald auf überlegene gemischte Streitkräfte, so daß
sie nichts erreichen werden. Dagegen bin ich der Ansicht, daß, wenn es
uns gelingt, unsere Torpedobootsflottille entweder in der Tagschlacht
oder in nächtlichem Angriff gegen wesentliche Teile der englischen Flotte
zum Ansatz zu bringen, wir große Erfolge erzielen werden. Dafür
bürgt mir ihre auf jahrzehntelanger Schulung beruhende gute Durch-
bildung.
3. Das dauernde Liegen unserer Geschwader in den Flußmündungen kann
auf die Gefechtsbereitschaft unserer Flotte nicht ohne nachteilige Folgen
bleiben. Es fehlt nicht nur dem Flottenverband die Möglichkeit der
Aufrechterhaltung seiner taktischen Durchbildung, sondern, ohne daß
dem Personal der geringste Vorwurf zu machen ist, muß auch mit
Naturnotwendigkeit der glänzende Geist unseres Personals dadurch be-
einflußt werden, daß ihm immer mehr die Aussicht auf eine kriegerische
Betätigung entrückt wird.
v. Tirpitz.
An den Chef des Admiralstabes der Marine hier.
Der größte Teil des Offizierskorps spürte das Verhängnis wohl. Der
Kaiser sah sich veranlaßt, den Zweifel der Flotte, ob die Seekriegführung
auf dem richtigen Wege sei, verschiedentlich auch durch Ansprachen zu be-
schwichtigen. Am 7. September 1913 erging eine Kabinettsorder gegen
die „unrichtige und Verstimmung erweckende Auffassung der ganzen
Lage der Marine“. Der Kaiser mahnte, „den Geist freudiger Pflicht-