Mein Rücktritt 197
Entscheidung liegt im Besitz Belgiens. Geben wir Belgien heraus,
so sind wir verloren. Ich habe mich für den Ubootskrieg entschieden
und rechne bestimmt auf seine Ausführung Ich werde mich voll
für ihn einsetzen und ihn durchsetzen.“
In schroffem Gegensatz zu der Anschauung des Kanzlers war
ich mir schon damals darüber klar, daß eine weitere Verzögerung
des Ubootskrieges die höchste Gefahr mit sich brächte, und habe die
erwähnte Denkschrift mit folgenden Sätzen geschlossen, die sich zum
Unglück Deutschlands später als richtig erwiesen haben: „Unbedingt
notwendig ist die alsbaldige und rücksichtslose Einsetzung der Uboots-
waffe. Ein längeres Hinausschieben des ungehemmten Ubootskrieges
würde England Zeit zu weiteren militärischen und wirtschaftlichen
Abwehrmaßregeln lassen, würde unsere Verluste später nur er-
höhen und den baldigen Erfolg in Frage stellen. Je eher die Uboots-
waffe eingesetzt wird, desto eher wird der Erfolg eintreten, desto rascher
und energischer wird Englands Hoffnung, uns durch einen Erschöpfungs-
krieg niederzuringen, vereitelt werden. Mit England ist aber auch
der Koalition unserer Gegner das Rückgrat gebrochen.“
Eine große Zahl von Korporationen und Persönlichkeiten war in
dieser Zeit an den Reichskanzler zwecks Befürwortung des Uboots-
krieges herangetreten. Unter diesen möchte ich ein Schreiben Hugo
Stinnes'’ an den Kanzler anführen, das nach eingehender Information
in Schweden zu fast gleicher Zahlenrechnung kommt, wie meine Denk-
schrift. Diese Eingaben von Politikern und anderen Persönlichkeiten
in beachtenswerten Stellungen waren in keiner Weise von mir ver-
anlaßt worden.
Am 23. Februar hatte ich in Wilhelmshaven zufällig Gelegenheit,
dem Kaiser zu sagen, wie ich mit Freuden vernommen hätte, daß ein
ernstlicher Krieg gegen den englischen Frachtraum in Aussicht genommen
würde. Die Frachtraumfrage wäre zur Entscheidungsfrage des ganzen
Krieges geworden, und es dürfte nicht gezögert werden. Es handelte
sich für das Deutschtum um einen Daseinskampf. Die kleinen neu-
tralen Staaten ergäben keine wesentliche Gefahr. Der Kaiser müßte
zu einem Entschluß kommen.
Der entscheidende Vortrag beim Kaiser fand am 6. März 1916
statt, und zwar, trotz der obenerwähnten Remedurorder, ohne meine
Hinzuziehung. Ich habe, als ich nichtamtlich Nachricht von einer