Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Beim Torpedowesen 27 
sten Gefahr schwach und brüchig geworden; aber verloren ist das 
deutsche Volk erst, wenn es die Sauberkeit der alten Staatsverwal- 
tung einbüßt. Der korrupte Deutsche ist noch schlimmer als der kor- 
rupte Italiener oder Franzose, der wenigstens nie sein Vaterland verrät. 
Der Deutsche kann es sich nicht leisten, die Reinheit preiszugeben, 
die das Palladium seines alten Beamtenstandes war, denn es fehlen 
ihm andere staatliche Eigenschaften, welche bei fast allen fremden Völkern 
das Gift der Korruption teilweise immunisiren. Schon im letzten Men- 
schenalter konnte man auch in der Oberschicht Deutschlands den schädlichen 
Einfluß des eindringenden Materialismus bemerken in einem Schwächer- 
werden der Charaktere, in einer Verminderung jenes idealistischen Plus, 
welches das deutsche Volk zu seiner Selbsterhaltung jederzeit wird auf- 
bringen müssen. Denn nur durch selbstlos-stolze Hingabe an den Staat 
kann es das Minus seiner Erdlage ausgleichen, die schlechten Grenzen, 
die mangelnde Bodenfläche, die mißgünstigen Nachbarn, die konfes- 
sionelle Spaltung und das zu junge und zu unsichere Nationalgefühl. 
Indem also der Zufall mir in der Entwicklung der Torpedowaffe 
die erste größere Aufgabe stellte und sich so günstig erwies, daß wir 
die entsprechenden Leistungen der anderen Marinen überholten, bekam 
ich nebenbei auch einigen Einblick in den Gedankenkreis eines technischen 
Fabrikdirektors. Doch war ich froh, als das Problem des Torpedo- 
boots mich wieder auf mein natürliches Feld, die Taktik, führte. In 
meiner Entwicklung hat sich die Linie vom Technischen über das Tak- 
tische zum Organisatorischen mehrfach wiederholt. 
Stosch war Gegner der Torpedoboote, die in England schon gebaut 
wurden. Als ich aber im Jahre 1882 in seinem Auftrag das erste 
Manöver ausgearbeitet hatte, fiel es mit unseren damaligen schlechten 
Versuchsbooten immer noch so günstig aus, daß Stosch für die Torpedo- 
boote Interesse gewann. Caprivi, der im Torpedoboot ein seinem stra- 
tegischen Grundgedanken entsprechendes Mittel erkannte, beauftragte 
mich dann, das Torpedobootswesen zu entwickeln. Die Ansichten schwirr- 
ten durcheinander. Die einen wollten kleine Küstenboote. Ich forderte 
seefähige Fahrzeuge, die in der Nordsee schlagen könnten. Der Kampf 
für Hochseefahrzeuge gegen den Küstenschutzgedanken zieht sich durch 
mein ganzes Wirken bis zum Ubootsbau. 
Noch bevor die bei verschiedenen deutschen und englischen Firmen 
bestellten Modellboote fertig waren, beauftragte mich Caprivi, im
	        
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