Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

44 Aufstieg 
nur ein einziger Deutscher, Herr Siebs von der Firma Siemssen es 
gewagt, sich zu seinem Vaterlande zu bekennen; die meisten hatten es 
mit Herrn Schwarzkopf gehalten, der sich in einen Mr. Blackhead ver- 
wandelte. Im allgemeinen hat sich, von Europa abgesehen, das Deutsch- 
tum aus eigener Kraft nur in den lateinischen Staaten Südamerikas 
gehalten, obwohl das so fehlerhafte v. d. Heydtsche Reskript vom Jahre 
1859 die Auswanderung gerade dorthin zugunsten Nordamerikas 
lahmgelegt hatte, in der Meinung, für das zukünftige Wohl der aus- 
wandernden, uns doch verloren gehenden Deutschen väterlich vorzu- 
sorgen. Als 1900 im Staatsministerium Graf Bülow vorschlug, dieses 
Reskript endlich zu beseitigen, sprachen sich noch damals einzelne Stim- 
men für seine Beibehaltung aus! 
Viele Millionen Deutsche, die auswanderten, gingen uns innerlich 
wie äußerlich verloren und befruchteten unsre späteren schlimmsten 
Gegner. Ohne vergangne und gegenwärtige deutsche Arbeit hätte die 
Entente bei weitem nicht das geleistet, was sie uns antat; eine der 
bitteren Erkenntnisse unsrer Lage. 
War das Aufgehen im Amerikanertum bei den Verhältnissen, die 
unsere Auswanderer dort antrafen, auch an sich unvermeidlich, so ent- 
sprang doch die Art und die Schnelligkeit, mit welcher das Aufgeben der 
eigenen Nationalität sich vollzog, unserem wenig ausgeprägten National- 
sinn. Mit wehem Gefühl habe ich einen ungeheuren Fackelzug erlebt, 
den, wenn ich mich recht entsinne, 14000 ehemalige deutsche Soldaten, 
alle in guten Jahren, in New York dem Prinzen Heinrich zu Ehren 
brachten. Wenn bei diesen Leuten gelegentlich die Frage der Nationalität 
berührt wurde, so war der Ausspruch geläufig: Wir denken an Deutsch- 
land als an unsre Mutter, Amerika ist aber unsre Frau, zu der müssen wir 
stehen. Auch noch weniger freundliche Erfahrungen konnte man drüben 
machen. Die ideellen Güter, welche die Heimat voraus hatte, wurden ver- 
gessen lediglich um der materiellen Vorteile des amerikanischen Lebens willen. 
In der Harvard-Universität führte mich einmal ein Professor aus guter 
deutscher Familie, der an einer heimischen Universität Privatdozent 
gewesen war. Er war erst vor wenigen Jahren herübergekommen, er- 
zählte aber, daß er schon amerikanischer Bürger geworden sei. Die Art, 
wie er dies aussprach, berührte mich nicht angenehm, und ich benutzte 
eine passende Gelegenheit, um mich bei der ferneren Besichtigung einem 
anderen der amerikanischen Herren anzuschließen. Gegen meine Absicht
	        
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