Tsingtau 49
Ostasien. Ich veranlaßte dies mit aus dem Grunde, um etwas für die
Ausbreitung unserer Sprache und die Stärkung des Deutschtums zu tun.
Dann errichteten wir in Tsingtau eine Hochschule, von dem Grund-
satz geleitet, den Chinesen kulturelle Wohltaten zu erweisen und in der
Annahme, daß es sich auch wirtschaftlich bezahlte, wenn wir ihnen
unsere Kultur brächten. Der Standpunkt des Idealisten, daß es unsere
Aufgabe sei, Bildung zu verbreiten, war mir nicht fremd, aber dabei
meine eigentliche Begründung doch, uns selbst durch solche Vertiefung
unserer Arbeit vermehrte Resonanzböden im fernen Osten zu schaffen.
Die Hochschule wurde unterbaut durch eine Mittelschule für Chinesen.
Wir mußten schnell beginnen, weil sonst die Engländer anfingen, uns
Wettbewerb zu machen. Deswegen entschieden wir uns rasch und spran-
gen in die Hochschule hinein, ohne daß der Unterbau soweit war, daß
die Schüler genügend vorgebildet schienen. Das war aber Nebensache,
wir mußten voran. Nicht das Auswärtige Amt, sondern der von mir
beauftragte Chinakenner Professor Otto Franke führte im wesentlichen
die Verhandlungen mit der Pekinger Regierung und vereinbarte in vor-
bildlicher Weise, daß bei unsern Prüfungen chinesische Regierungs-
bevollmächtigte sich beteiligten; damit bekamen unsere Prüflinge das
Recht auf Anstellung in China, als ob sie eine staatliche Prüfung ge-
macht hätten. Wir würden auf diese Weise einen Strom junger Leute
nach China gelenkt haben, die vollständig deutsch sprachen, unsere
Einrichtungen kannten und an unsere Erzeugnisse gewöhnt waren. Die
ärztliche Wissenschaft pflegten wir besonders, da ihre konkurrenzlose
Höhe sie zu nationalem Pionierdienst für Deutschland wie weniges an-
dere befähigt.
Für den deutschen Einfuhrhandel wurde unsere Kolonie mehr und
mehr zum Stapelplatz. Wir begannen, eine Musterausstellung deutscher
Erzeugnisse zu errichten, eine Reklame ersten Ranges, die wir in einer
englischen Siedlung nie hätten errichten können. An der Schwelle Chinas
stehend gewährten wir Einblick in unsere eigenen wirtschaftlichen und
kulturellen Leistungen, achteten dabei die Eigenart des Landes, nahmen
und erwiesen Gastfreundschaft und erwiderten als „königlicher Kauf-
mann“ Vertrauen mit Vertrauen. Von Jahr zu Jahr gewann das
Deutschtum in dem riesigen Reich festeren Boden.
Tirpitz, Erinnerungen 4