Im Reichsmarineamt 55
fenen Fehleinrichtungen werden später meist nur die Symptome ver-
deckt, der Urfehler aber nicht mehr gefunden, an dem sich dann Ge-
wohnheiten festgesetzt und Interessen angeklebt haben. Darum soll
man Organisationen nie auf den Tisch des Hauses legen, sondern an
einen gegebenen Punkt sich ankristallisieren lassen. Man muß sich
auch die Möglichkeit offen lassen, bei sich zeigenden Fehlern die Organi-
sation ohne eigentliche Zerstörung wieder abzukristallisieren, denn bei
radikalen Umwälzungen erkennt man meist nur die Vorteile, selten
die Nachteile klar voraus. Bei Organisation kommt es weniger auf for-
male Logik an, als auf die Güte des Bodens und des Pflanzenkeims.
Wir haben deshalb auch die Flottengesetze nicht stur, sondern möglichst
lehnig gehalten.
Das persönliche Hervortreten im Reichstag und überhaupt in der
Offentlichkeit lag mir nicht. Ich fühlte, je weniger man im Reichstag
sprach, desto richtiger war es und desto weiter kam man, zumal bei
einem außenpolitisch so heiklen Gebiet wie dem meinigen. Ich glaube,
auf diese Weise inneren und ausländischen Gegnern niemals Anlässe
geboten zu haben. Eine gewisse Scheu vor dem Getriebe der Offent-
lichkeit mag mich persönlich beeinflußt haben. Man hat mir ja
später wohl vorgeworfen, daß die Marinedebatten im Plenum und
in den Kommissionen zu „langweilig“ und „glatt“ verliefen, was
wohl irgendwelchen Kulissengeheimnissen zu verdanken wäre. Allerdings
pflegten wir vertrauliche Besprechungen mit den Parteiführern. Unser
Hauptgeheimnis war aber die absolut genaue Durcharbeitung jeder
Vorlage, sodaß sie überzeugte und unangreifbar war. Dies gelang
mit der Arbeitsweise, die ich mir schon an den Aufgaben der Siebziger
Jahre gebildet hatte, indem ich den Gedanken angab, dann im größten
Maße andere heranzog und erst das Schlußerzeugnis wieder völlig
durchdachte. Später hat dann neben der sorgsamen Durcharbeitung der
Marinevorlagen vor allem die praktische Erprobung unserer technischen
und organisatorischen Arbeit ein stets höheres Kapital parlamentarischen
Vertrauens angesammelt. Andere Mittel als unsere gründliche Arbeits-
methode hätten uns niemals zu parlamentarischen Erfolgen verholfen.
Im preußisch-deutschen Regierungssystem meiner Zeit erschöpften sich
die Minister allgemein lieber in stiller, meist ungelohnter Ressortarbeit,
als daß sie an der Oberfläche der Öffentlichkeit paradierten. Die ohne
Sinn für organisches Wachstum und ohne Achtung für die Vernunft