In Rominten 85
sie näher kennenzulernen, als ein Glück für das Land empfunden. Als
der Kaiser nach den Meinungsverschiedenheiten, die zwischen ihm und
Feldmarschall Hindenburg im Frühjahr 1915 entstanden waren, vom
Westen nach dem Osten fuhr, ließ sich die Kaiserin, von Berlin kom-
mend, in Halle an den kaiserlichen Zug mit einem Wagen anhängen
und überraschte ihren Gemahl am nächsten Morgen. Das bekannte
Bild, welches den Kaiser und Hindenburg in Posen vereinigt darstellt,
ist von ihr aufgenommen.
Es ist vielleicht nicht richtig zu sagen, daß dem nachbismarckschen
Deutschland die selbständigen Naturen an sich gefehlt hätten. Dennoch
hat Haldane die Tragik, die über unserer Arbeit lag, richtig gekenn-
zeichnet, wenn er nach seinem Besuch 1912, wie mir erzählt worden
ist, gesagt hat: es fiele ihm gegen früher auf, welcher Mangel an Cha-
rakteren in Berlin herrsche. Die beinahe religiöse monarchische Er-
gebenheit, welche die Person Wilhelms I. geschaffen hatte, ließ eine Frei-
heit der Meinungsäußerung und Charakterbetätigung bestehen, die später
unter dem Einfluß der Kabinette mehr und mehr der Forderung
reinen Gehorsams wich. Die Manneskraft, die 1866 und 1870, selbst
1848 an die Oberfläche getragen wurde, schien in der schweren Prüfung
unserer Tage nicht in demselben Maße vorhanden oder doch nicht an
den richtigen Stellen zur Wirkung gebracht.