entwöhnt, kürzten sich die Weile mit leerem Prahlen von der un—
besiegbaren Stärke der Ordenswaffen. Junkerhafter Übermut
verhöhnte die besonnenen Meister, welche, die Gefahren der Zeit
erwägend, die alte Eroberungspolitik mäßigten. Als dann endlich
— nach einer tragischen Notwendigkeit, die keines Menschen Witz
abwenden konnte — diese Eroberungspolitik, das Lebensgesetz des
Staates, noch einmal hervorbrach, da erlebte der deutsche Adel
seinen jammervollsten Fall auf demselben Boden, wo er sein
Höchstes geleistet.
Inzwischen reifte die Treibhaushitze der kolonialen Luft in dem
jungen, der Pietät ungewohnten Volke den Haß wider die fremden
Herrscher. Denn fremd mußten den Preußen die Oberdeutschen
erscheinen in Tagen, da die Abneigung der Stämme in unseliger
Blüte stand. Zwei neue Aristokratien waren emporgewachsen unter
der herrschenden Kaste, durch festere Bande, als der Orden, mit
dem Lande verkettet. Die städtischen Geschlechter, zumal die mäch-
tigen Ferver, Letzkau, Hecht in Danzig, murrten längst wider das
harte Regiment. Und hier abermals stoßen wir auf den tragi-
schen Widerspruch im Wesen des Ordens. Nur weil der Orden
zugleich ein großer Kaufherr war, konnte er den Gedanken einer
Handelspolitik im großen Stile fassen; und doch hat dieser selbige
Eigenhandel ihm die Gemüter der Bürger verfeindet. Unter dem
Landadel, den reichen Geschlechtern der Renys und Kynthenau im
Kulmerlande, tat sich der ritterliche Eidechsenbund zusammen. Alle
Eidechsenritter waren verschworen, einander beizustehen mit Leib
und Gut in nothafter ehrlicher Sache wider jedermann — frei-
lich „mit Ausnahme der Landesherrschaft“; aber wer hatte Kunde
von den tiefgeheimen Bundestagen? Auch auf den Hort der
monarchischen Gewalt, auf die Treue der niederen Stände, durfte
der Orden nicht mit Sicherheit zählen — am wenigsten um die
Wende des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, in diesem
schrecklichen Morgensturme, der dem Lichte der modernen Gesittung
vorausging. Alles Heilige sah dies unselige Geschlecht geschändet
und entweiht. Gräßlich erfüllte sich das strenge Seherwort, das
105