Die kaum von Litauen abgetretenen Samaiten standen auf „wie
die jungen Wölfe, wenn sie satt, desto grimmiger werden gegen
die, welche sie hegen“. Sogar Memel ward von den Barbaren
erstürmt, und erst nach Jahren (1406) befestigte der Orden wieder
seine Herrschaft. In so bedrängter Lage deckte sich der Orden den
Rücken, trat Gotland ab an die Königin des Nordens (1408).
Man mochte erkennen, daß der Gedanke einer selbständigen mari-
timen Politik, wie großartig immer, doch unhaltbar blieb, solange
man nicht vermochte, die Verfassung des Bundes schwerer Reiter
durch entschlossene Aufnahme beweglicher demokratischer Elemente
von Grund aus umzugestalten. Aber diese Sicherung gegen Skan-
dinavien frommte wenig, seit die Macht des Königs Wladislaw
immer bedrohlicher anwuchs. Der hatte den Deutschen die Kunst,
teilend zu herrschen, welche der Orden bisher gegen Polen und
Litauen geübt, abgesehen und wandte sie jetzt gegen den Orden
selber. Der Klerus von Livland, der ewig aufsässige, bat offen
um den Beistand des Polen wider die Landesherrschaft; und auch
in Preußen ging die Rede, daß geheime Boten aus Krakau oft-
mals mit den Eidechsenrittern des Kulmerlandes verkehrten. Die
kleinen Wendenfürsten von Pommern huldigten der neuen Größe
des Slawenkönigs. Weit über die Grenzen der Christenheit hin-
aus schweiften Wladislaws herrschsüchtige Pläne; er schloß ein
Bündnis mit den heidnischen Tataren und Walachen. Ein ruch-
loser Frevel nach den Begriffen der Deutschen, aber eine sehr be-
greifliche Politik für einen Polenkönig; denn ein buntes Völker-
gemisch von Ruthenen und Sarazenen, Armeniern und Tataren
hauste in dem Südosten dieses Grenzlandes der Christenheit —
ein Gewirr von Völkertrümmern, das die Nähe des Orients an-
kündigte. Seit den Tagen Kasimirs des Großen waren auch
noch Massen der aus Deutschland vertriebenen Juden hinzuge-
kommen, und in diesem Durcheinander von Christen und Heiden,
Juden und Schismatikern konnte selbst der strengkatholische Wla-
dislaw die Hilfe der Heiden nicht verschmähen.
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