vollendete Freiheit, die Einheit mit Gott ist schon im Diesseits
möglich.
Beseelt von solchen Gedanken der Ertötung alles Fleisches, der
asketischen Sittenstrenge, ist Fichte ein unästhetischer Held geblieben,
wie groß er auch dachte von der Kunst, die der Natur den ma—
jestätischen Stempel der Idee aufdrücke. Auch in ihm, wie in
allen edleren Söhnen jener an den Helden Plutarchs gebildeten
Tage, wogte und drängte ein großer Ehrgeiz; er gedachte an seine
Existenz für die Ewigkeit hinaus für die Menschheit und die ganze
Geisterwelt Folgen zu knüpfen; aber, fährt er fort, „ob ich's tat
braucht keiner zu wissen, wenn es nur geschieht!“ Jene hohe
Leidenschaft, die dem strengsten aller Dichter, Milton, nur als die
letzte Schwäche edlerer Naturen erscheint, der Durst nach Ruhm,
wird scharf und schonungslos als eine verächtliche Eitelkeit ver-
worfen von dieser selbstgewissen Tugend, welche leben will aus
dem erkannten rein Geistigen heraus. In Augenblicken des Zweifels
— als gälte es Schillers witziges Epigramm zu bewähren —
prüft der gestrenge Mann, auf welcher Seite seine Neigung stehe,
um dann mit freudiger Sicherheit des anderen Weges zu gehen.
Selber folgerichtig im Kleinsten wie im Größten, sagt er den
Zeitgenossen erbarmungslos auf den Kopf zu, welches die not-
wendigen Folgen ihrer weichlichen Grundsätze seien. Trocken spricht
er: „Dies weiß man gewöhnlich nicht, gibt es nicht zu, ärgert
sich daran, glaubt es nicht; aber es kann alles dieses nichts helfen,
so ist's.“ Er findet unter den Menschen nur wenige bösartig und
gewalttätig — „denn hierzu gebricht es bei der Mehrzahl an Kraft:
— sondern sie sind in der Regel bloß dumm und unvissend,
feige, faul und niederträchtig.“ In diese Welt tritt er ein mit
dem stolzen Bewußtsein eines apostolischen Berufs: „So bin ich
drum wahrhaft Stifter einer neuen Zeit — der Zeit der Klar-
heit — bestimmt angebend den Zweck alles menschlichen Han-
delns, mit Klarheit Klarheit wollend. Alles andere will mecha-
nisieren, ich will befreien.“ — Wenn Geoeethe fürchtete, der eigen-
richtige Mann sei für sich und die Welt verloren: für den Philo-
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