Zeit? Der stets nur den ganzen Menschen zu ergreifen trachtete,
er war der geborene Lehrer jenes Alters, das der allseitigen Aus-
bildung der Persönlichkeit lebt, bevor noch die Schranken des Be-
rufs den Reichtum der Entwicklung beengen. Endlich — fassen
wir die Größe des Redners in dem einen von tausend Hörern
wiederholten Lobe zusammen — was er sprach, das war er. Wenn
er die Hörenden beschwor, eine Entschließung zu fassen, nicht ein
schwächliches Wollen irgend einmal zu wollen, wenn er die Macht
des Willens mit Worten verherrlichte, die selbst einem Niebuhr
wie Raserei erschienen: da stand er selber, die gedrungene über-
kräftige Gestalt mit dem aufgeworfenen Nacken, den streng ge-
schlossenen Lippen, strafenden Auges, nicht gar so mild und ruhig,
wie Wichmanns Büste ihn zeigt, welche die Verklärung des Toten
verkörpert, voll trotzigen Selbstgefühles und doch hoch erhaben über
der Schwäche beliebter Redner, der persönlichen Eitelkeit — in jedem
Zuge der Mann der durchdachten Entschließung, die des Gedankens
Blässe nicht berührte. Darum hat sich von allen Lehrern, die neuer-
dings an deutschen Hochschulen wirkten, sein Bild den jungen Ge-
mütern am tiefsten eingegraben; sein Schatten ist geschritten durch
die Reihen jener streitbaren Jugend, die für uns blutete und in
seinem Sinne ein Leben ohne Wissenschaft höher achtete denn eine
Wissenschaft ohne Leben.
Jene „mehr als spanische Inquisition“ seiner Heimat sollte end-
lich auch ihn ereilen. Eine pöbelhafte Anklage bezichtigte Fichte
bei dem kursächsischen Konsistorium des Atheismus und vertrieb
ihn aus Jena, weil er nicht imstande war, den Schein des Un-
rechts auf sich zu nehmen, wo sein Gewissen ihm recht gab. Da
wollte eine glückliche Fügung, daß der Rat des Ministers Dohm
ihn nach Preußen führte, in den Staat, der gerade diesem Manne
eine Heimat werden mußte. Der Staat Preußen hat den Lehrer
und Philosophen zum Patrioten gebildet.
Ein strenger Geist harter Pflichterfüllung war diesem Volke ein-
geprägt durch das Wirken willensstarker Fürsten, fast unmensch-
lich schwer die Lasten, die auf Gut und Blut der Bürger drückten.
152