Was andere schreckte, Fichte zog es an. Nur das eine mochte ihn
abstoßen, daß jener Sinn der Strenge schon zu weichen begann,
daß zu Berlin bereits ein Schwelgen in weichlichen unpoetischen
Empfindungen, eine seichte, selbstzufriedene Aufklärung sich brüstete,
deren Haupt Nicolai unser Held bereits in einer seiner totschlagen-
den humorlosen Streitschriften gezüchtigt hatte. Ein rührender
Anblick, wie nun der Kühnste der deutschen Idealisten den schweren
Weg sich bahnt, den alle Deutschen jener Tage zu durchschreiten
hatten, den Weg von der Erkenntnis der menschlichen Freiheit zu
der Idee des Staates: wie ihn, dem die Außenwelt gar nicht
bestand, die Erfahrung belehrt und verwandelt. Noch zur Zeit
der Austerlitzer Schlacht konnte er schreiben: „Welches ist denn das
Vaterland des wahrhaft ausgebildeten christlichen Europäers? Im
allgemeinen ist es Europa, insbesondere ist es in jedem Zeitalter
derjenige Staat in Europa, der auf der Höhe der Kultur steht.
Mögen doch die Erdgeborenen, welche in der Erdscholle, dem Flusse,
dem Berge ihr Vaterland erkennen, Bürger des gesunkenen Staa-
tes bleiben; sie behalten, was sie wollten und was sie beglückt.
Der sonnenverwandte Geist wird unwiderstehlich angezogen wer-
den und hin sich wenden, wo Licht ist und Recht. Und in diesem
Weltbürgersinne können wir über die Handlungen und Schicksale
der Staaten uns beruhigen, für uns selbst und für unsere Nach-
kommen bis an das Ende der Tage.“ Dann ward durch den
Wandel der Weltgeschicke auch der Sinn des weltverachtenden Phi-
losophen nicht verwandelt, aber vertieft und zu hellerem Verständ-
nis seiner selbst geführt. Kein Widerspruch allerdings, aber eine
höchst verwegene Weiterentwicklung, wenn Fichte jetzt erkennt, daß
der Deutsche Licht und Recht nur in Deutschland finden könne.
Er begreift endlich, daß der Kosmopolitismus in Wirklichkeit als
Patriotiomus erscheine, und verweist den einzelnen auf sein Volk,
das „unter einem besonderen Gesetze der Entwicklung des Gött-
lichen aus ihm“ stehe. —
Längst schon war der Philosoph der freien Tat durch das Wesen
seines Denkens auf jene Wissenschaft geführt worden, welche den
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