Full text: Auswahl für das Feld.

nach außen gerichteten Willen in seiner großartigsten Entfaltung 
betrachtet. Aber sehr langsam nur lernte er die Würde, den sitt— 
lichen Beruf des Staates verstehen. Auch er sah — gleich der 
gesamten deutschen Staatswissenschaft, die ihre Heimat noch allein 
auf dem Katheder fand — im Staate zuerst nur ein notwendiges 
Äbel, eine Anstalt des Zwanges, gegründet durch freiwilligen Ver- 
trag, um das Eigentum der Bürger zu schützen. Unversöhnlichen 
Krieg kündete er dem Gedanken an, daß der Fürst für unsere 
Glückseligkeit sorge: „Nein, Fürst, du bist nicht unser Gott; gütig 
sollst du nicht gegen uns sein, du sollst gerecht sein.“ Diese Rechts- 
anstalt des Staates aber soll sich entwickeln zur Freiheit, also daß 
jeder das Recht habe, „kein Gesetz anzuerkennen, als welches er sich 
selbst gab“; der Staat muß das Prinzip der Veränderung in sich 
selber tragen. — Der also dachte, war längst gewohnt, von dem 
vornehmen und geringen Pöbel sich einen Demokraten schelten zu 
lassen. Und radikal genug, mit dem harten rhetorischen Pathos 
eines Jakobiners, hatte er einst die Revolution begrüßt als den 
Anbruch einer neuen Zeit, und die staatsmännische Kälte, womit 
Rehberg die große Umwälzung betrachtete, gröblich angegriffen. 
Mit grimmiger Bitterkeit hatte er dann die Denkfreiheit zurück- 
gefordert von den Fürsten; denn die einzigen Majestätsverbrecher 
sind jene, „die euch anraten, eure Völker in der Blindheit und 
Unwissenheit zu lassen und freie Untersuchungen aller Art zu hin- 
dern und zu verbieten“. 
Doch im Grunde ward sein Geist nur von einer Erscheinung 
der Revolution mächtig angezogen: von dem Grundsatze der Gleich- 
heit des Rechts für alle Stände. Privilegien fanden keine Gnade 
vor diesem konsequenten Kopfe: aus seinen heftigen Ausfällen 
wider den Adel redet der Zorn des sächsischen Bauernsohnes, der 
eben jetzt seine mißhandelten Standesgenossen sich erheben sah 
gegen ihre adligen Bedrücker. Sehr fern dagegen stand er den 
Ideen der modernen Demokratie, welche die freieste Bewegung des 
einzelnen im Staate verlangen; eine harte Rechtsordnung sollte 
jede Willkür des Bürgers bändigen. Dieser despotische Radika- 
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