Full text: Auswahl für das Feld.

sollte der überraschende Vorstoß erfolgen. In tiefem Schweigen 
rückten die Regimenter in ihre Stellungen ein; die Generale hiel- 
ten am Rande des Waldes und verfolgten mit gespannten Blicken 
den Gang der Schlacht. Als einer der Offiziere meinte, der Feind 
werde nun wohl von den Engländern ablassen und, um sich den 
Rückzug zu sichern, seine Hauptmacht gegen die Preußen werfen, 
da erwiderte Gneisenau: „Sie kennen Napoleon schlecht. Er wird 
gerade jetzt um jeden Preis die englische Schlachtlinie zu zerspren- 
gen suchen und gegen uns nur das Notwendige verwenden."“ 
Und so geschah es. Noch ehe die Preußen bei dem Walde von 
Frichemont anlangten, zwischen 3 und 4 Uhr, hatte der zweite 
große Angriff der Franzosen begonnen. Ney sprengte mit vier- 
zehn Regimentern schwerer Reiterei auf der Westseite der Land- 
straße gegen die Vierecke der englischen Garde und der Dinvision 
Alten im Zentrum heran. Lange wogte der Kampf unentschie- 
den hin und her, aber das Fußvolk hielt unerschütterlich aus. 
Endlich zurückgeworfen zog Ney auch die Kavallerie Kellermanns 
an sich, so daß er jetzt 26 Reiterregimenter zu erneutem Angriff 
heranführte, die größte Reitermasse, welche dies kriegerische Zeit- 
alter jemals an einer Stelle tätig gesehen hatte. Der Boden 
dröhnte von dem Hufschlag von 10000 Pferden, ein Wald von 
Säbeln und Lanzen bedeckte die Talmulde, stundenlang schwankte 
das Gefecht, zehn-, zwölfmal ward die Attacke gegen einzelne Ba- 
taillone erneuert. Nochmals behielt die Standhaftigkeit des eng- 
lischen und deutschen Fußvolks die Oberhand. Auch dieser An- 
griff scheiterte, die Schwadronen begannen zu weichen, ein kühnes 
Vorgehen der englischen und hannoverschen Reservereiterei brachte 
sie vollends in Verwirrung; aber auch die Sieger fühlten sich tief 
erschöpft. 
Auf den anderen Teilen des Schlachtfeldes gestaltete sich unter- 
dessen der Gang der Ereignisse weit günstiger für Napoleon. Die 
Division Quiot, die schon an dem großen Angriffe Erlons teil- 
genommen, ging von neuem auf der Landstraße vor und bestürmte 
die Meierei von La Haye Sainte. Dort stand Major Baring 
199
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.