Full text: Auswahl für das Feld.

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ns Alteren ruft die heutige Feier die goldenen Tage unseres 
Lebens vor die Seele, die Tage, da Gottes Gnade unter 
Kampf und Not und Jammer allen Träumen, aller Sehnsucht 
unserer Jugend über jedes Hoffen hinaus die herrliche Erfüllung 
schenkte. Und doch, indem ich zu reden beginne, empfinde ich leb- 
haft, wie tief sich die Welt in diesem Vierteljahrhundert verwan- 
delt hat. Nicht jede Zeit vermag das Große zu tun, nicht jede 
vermag es recht zu verstehen. Auf die Entscheidungsstunden der 
Geschichte folgt gemeinhin ein Geschlecht, das die eherne Stimme 
des gewaltigen Völkerbildners, des Krieges, noch im eigenen Herzen 
nachzittern fühlt und sich mit jugendlicher Begeisterung des Er- 
rungenen freut. Aber ohne die beständige Arbeit der Selbstbe- 
sinnung und Selbstprüfung schreiten die menschlichen Dinge nicht 
vorwärts. Neue Parteien mit neuen Gedanken treten auf; sie 
fragen zweifelnd oder höhnend, ob das erreichte Ziel der gebrachten 
Opfer wert gewesen. Die Feldherren der Schreibstube berechnen, 
was sich wohl auf dem geduldigen Papiere noch vollkommener 
hätte gestalten lassen; betriebsame Ahrenleser spüren emsig all das 
Widrige und Häßliche auf, was sich, wie der Schwamm an den 
Eichbaum, an jedes mächtige Menschenwerk ansetzt, und über der 
Fülle des Tadels gehen leicht Freude und Dank verloren. Es 
bedarf meist einer langen Frist, bis sich ein Volk entschließt, das 
Große seiner Vergangenheit wieder im Großen zu sehen. Der 
hohe Sinn des Befreiungskrieges ist der Mehrzahl der Deutschen 
doch erst fast ein halb Jahrhundert nachher durch die Werke von 
Häußer, Droysen, Bernhardi, Sybel erschlossen worden. Lassen 
Sie uns heute von allem Kleinlichen absehen und nur der sitt- 
  
* Rede bei der Kriegs-Erinnerungsfeier der Kgl. Friedrich-Wilhelms-Universität 
zu Berlin am 19. Juli 1895. 
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