Full text: Auswahl für das Feld.

immer sah er leibhaftig vor sich, wie einst vor sechsundfünfzig Jahren 
die bewaffneten Bauernscharen der Champagne unter den Augen 
der Preußen aus der Erde aufgestiegen waren. Früher und klarer 
als alle durchschaute er die Gefahr, die von der Loire her drohte, 
und befahl die Verstärkung des Heeres im Süden. So blieb er 
bis zum Ende der Kriegsherr, und als er den Boden Frankreichs 
verließ, da gedachte er, nach solchen Siegen, gewissenhaft des ewigen 
Wandels der menschlichen Dinge und ermahnte die Armee des 
nunmehr geeinten Deutschlands, daß sie sich nur bei stetem Streben 
nach Vervollkommnung auf ihrer Stufe erhalten könne. 
Es ist die anheimelnde Schönheit der deutschen Geschichte, daß 
wir nie einen jede Persönlichkeit niederdrückenden Napoleon gekannt 
haben. In allen großen Zeiten standen neben unseren führenden 
Helden freie Männer von fester Eigenart und sicherem Stolze, und 
König Wilhelm verstand, ein geborener Herrscher, starke, in ihrem 
Fache ihm selber überlegene Talente, jedes am rechten Ort, frei 
schalten zu lassen. Menschlich würdiger ist nichts als die treue 
Freundschaft, welche den Kriegsherrn mit dem Schlachtendenker 
verband, dem geistigen Leiter der Heere, dem wunderbaren Manne, 
dem die verschwenderische Natur neben dem untrüglichen Blick und 
der genialen Tatkraft des großen Feldherrn auch die Schärfe eines 
fast den gesamten Bereich menschlichen Wissens umfassenden Ver— 
standes und den Künstlersinn des klassischen Schriftstellers schenkte. 
Und neben Moltke stand Roon, der Gestrenge, bitter Gehaßte; 
hart und unerschütterlich in seinen Grundsätzen, wie ein gottseliger 
Dragoner Oliver Cromwells, hatte er die Neugestaltung des Heeres 
nach den Vorschriften seines Kriegsherrn bewirkt, jetzt nannten ihn 
die bekehrten Gegner den neuen Waffenschmied Deutschlands. Und 
dann die Führer der Armeen und der Korps. Neben den Prinzen: 
Goeben, der ernste Schweiger, von dem seine Leute sagten, er könne 
nicht sprechen, aber auch nicht irren — sie ahnten nicht, daß 
seine Feder ganz im Stil der Kommentarien Cäsars zu reden 
wußte. Dann Konstantin Alvensleben, der echte Sohn des mär— 
kischen Kriegervolkes, munter und gütig, aber furchtbar in der 
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