vielleicht hochachten als ritterliche Feinde, das ist auf den ersten
Blick das Abschreckende des Krieges, zugleich aber auch seine Größe.
Nicht nur sein Leben soll der Mensch opfern, sondern auch natür—
liche, tief berechtigte Empfindungen der Menschenseele, sein ganzes
Ich soll er hingeben an eine große vaterländische Idee: das ist
das sittlich Erhabene des Krieges. Wenn man diesem Gedanken
weiter nachgeht, so erkennt man, wie der Krieg bei aller Härte
und Roheit auch ein Band der Liebe zwischen den Menschen webt,
wie hier jeder Unterschied der Stände schwindet und die Todes—
gefahr Mensch an Menschen knüpft. Wer die Geschichte kennt,
der weiß auch, es wäre geradezu eine Verstümmelung der mensch—
lichen Natur, wenn man den Krieg aus der Welt schaffen wollte.
Es gibt keine Freiheit ohne kriegerische Kraft, welche bereit ist sich
für die Freiheit zu opfern. Immer wieder muß man sagen, daß
Gelehrte, wenn sie diese Dinge betrachten, von der stillen Vor-
aussetzung ausgehen, als ob der Staat nur bestimmt wäre eine
Akademie der Künste und Wissenschaften zu sein. Auch das soll
er, aber es ist nicht sein nächster Beruf. Vernachlässigt ein Staat
seine pyhsischen Kräfte zugunsten der geistigen, so geht er zugrunde.
Uberhaupt erkennen wir, daß die Größe historischen Lebens
weit mehr auf dem Charakter beruht als auf der Bildung; die
treibenden Kräfte der Geschichte sind zu suchen in den Kreisen,
wo der Charakter sich ausbildet. Nur tapfere Völker haben eine
wirkliche Geschichte. In den großen Prüfungsstunden des Völker-
lebens sehen wir, wie die kriegerischen Tugenden das Entscheidende
sind. Ganz richtig nennt ein altes Wort den Krieg das eKamen
rigorosum der Staaten; im Kriege zeigen die Staaten, was sie
vermögen nicht nur an physischen Kräften, sondern auch an sitt-
lichen und in gewissem Grade auch an Kräften der Intelligenz.
Es ist ein wahrer Kern in der bekannten trivialen Redensart,
wonach bei Königgrätz der preußische Schulmeister gesiegt habe;
im Kriege tritt zutage, was ein Volk in der Stille gesammelt hat.
Es ist nicht das Wesen des Heeres, daß es sich immer schlage,
die stille Arbeit der Rüstung geht im Frieden weiter. Was die
16 H. v. Treitschke, Feldausgabe. 241