abschätzen zu wollen. Was wir verloren haben, als die Blüte
unserer Jugend auf den Schlachtfeldern Frankreichs dahinsank, das
ist nicht in Geld zu schätzen. Es ist unwürdig, sittliche Güter wie
materielle zu beurteilen; es ist das Normale und Vernünftige, wenn
eine große Nation das Wesen des Staates, das eben Macht ist,
auch verkörpert und durchbildet in einem geordneten Heerwesen.
Aber auch Handel und Wandel würden ohne das Heer nicht ge—
deihen. Das stehende Heer eines Volkes, das auf eine glorreiche
Geschichte zurückblickt, kann lange den Frieden sichern. Nichts aber
ist törichter als während einer solchen Friedenszeit zu sparen im
Militäretat; die Sparsamkeit im Heerwesen ist die größte Ver-
schwendung. «
In einfachen Zuständen wird das Recht, die Waffe zu tragen,
immer als ein Vorrecht des freien Mannes angesehen werden.
Erst in ihrer allerletzten Zeit haben die Römer das Söldnerwesen
ausgebildet. Da sich hier, die Offiziere ausgenommen, nur die
niedrigsten Elemente der Gesellschaft zusammenfinden, so kommt die
Anschauung auf, wonach der Waffendienst gleichsam eine Schande
ist, der freie Vollbürger will jetzt davon befreit sein. Diese Ideen
vom Söldnerwesen, ein wahres Hexeneinmaleins, haben sich fort—
geerbt durch die Jahrhunderte, und ihre Nachwirkungen sind noch
in dem unserigen grell zutage getreten. Das Unsittlichste und Un-
vernünftigste, was auf dem Gebiete des Heerwesens geleistet ist,
hat unser Jahrhundert gesehen in den National- und Bürger-
garden. Da bildeten sich die Bürger ein, sie seien zu gut, um
gegen den Landesfeind die Waffen zu tragen, daheim aber wollten
sie doch ihr bißchen Paradespiel haben und, wenn ihr Geldbeutel
bedroht wäre, in der Lage sein, sich zur Wehr zu setzen. Daher
diese wahrhaft scheußliche Erfindung der Nationalgarde mit der
ungeheuerlichen Gesetzesbestimmung, daß im Falle eines bürger-
lichen Aufruhrs der süße Pöbel zunächst von dieser Bürgergarde
geschüttelt werden dürfe; nur wenn die Dinge wirklich ernst wür-
den, sollte die Armee einschreiten. Das ist ein völliges Verkennen
des sittlichen Adels der Wehrpflicht; das Recht, die Waffen zu
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