Full text: Auswahl für das Feld.

heißt?“ beantwortet hat: — „Dies steht so klar vor meinem Geist, 
daß, wenn ich's minder hell erblickte, das Werk vielleicht mir besser 
glückte“ — dieses unselige Geständnis gibt leider den Schlüssel 
zu einem großen Teile seines Schaffens. Er haßt die Phrase, 
niemals drängt sich bei ihm der Verstand in der prosaischen Form 
undramatischer Betrachtungen hervor; aber bei aller realistischen 
Anschaulichkeit im einzelnen läßt das Ganze oft kalt, erscheint als 
gemacht und geklügelt. Und so findet sich bei Hebbel, der nach 
dem edlen Ziele strebt, alles Geistige zu verleiblichen, das Zu- 
sammenfallen von Idee und Bild ebensoselten wie bei Klopstock, 
von dem ein altes treffendes Wort sagt, er habe alles Leibliche 
des Körpers entkleidet. 
Man hat Hebbel schweres Unrecht getan, wenn ihm die Wärme 
des Gemüts gänzlich abgesprochen ward. Selbst aus den ver- 
fehltesten seiner Gedichte bricht zuweilen, und dann ergreifend, eine 
starke und tiefe Empfindung hervor. Wer die Gedichte kennt, worin 
er Selbsterlebtes, wie das stille Glück des Hauses besingt, der wird 
den herzlosen Vorwurf der Herzlosigkeit nicht wiederholen. Er 
dichtete nur, wenn der Geist ihn rief, ließ oft jahrelang die halb- 
fertigen Gestalten seiner Entwürfe ruhen, bis sie von selber wieder 
erwachten. Trotzdem trat in den also aus künstlerischem Drange 
entstandenen Werken die Reflexion zuweilen so stark hervor, daß 
der Hörer kaum wußte, ob ein Dichter oder ein Denker zu ihm 
sprach. Dies verrät sich vornehmlich in der Zeichnung der Charak- 
tere. Otto Ludwig nennt in seiner grobkörnigen Weise Hebbels 
dramatische Gestalten kurzab „psychologische Präparate“, er meint: 
„sie tun dick, sie wissen sich etwas“ in ihrer Eigenart. Ein hartes 
Urteil, das Hebbels ältere Werke leider nicht immer Lügen strafen. 
Seine Charaktere handeln so folgerecht, daß wir jedes ihrer Worte 
vorausberechnen können; er motiviert oft mit überraschender Fein- 
heit, und eine große dialektische Kraft steht ihm zu Gebote, um 
den Irrgängen innerer Kämpfe nachzugehen. Aber über dem allzu 
eifrigen Bemühen, den Charakteren feste scharfe Umrisse zu geben, 
verlieren sie die Farbe, das Leben. Wohl zwingt die strenge 
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