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Deutschland.
forderndes und dennoch schwankendes Verhalten zu den übrigen Mächten —
durch diese von ganz Europa verurtheilte Politik wird die Ehre der Nation
gefährdet und zugleich der bewaffneten Einmischung des Auslands die will-
kommenste Handhabe geboten. Wir achten das heldenmüthig vertheidigte
Recht des polnischen Volks auf nationale Existenz; sind auch die Eroberungen,
die deutscher Geist und deutsche Arbeit auf ehemals polnischem Boden gemacht
haben, unwiderruflich, so verschmähen wir es doch, die Helfershelfer der
Unterdrückung zu sein. Wir scheuen den Krieg nicht, der für eine gute
Sache unternommen und von vertrauenswürdigen Führern geleitet wird;
wir verabscheuen aber den Krieg, den eine absolutistische Cabinetspolitik im
Dienst verwerflicher Interessen uns aufdrängen will, und halten den schonungs-
losen unversöhnlichen Kampf gegen die Träger einer solchen Politik für die
erste bürgerliche Pflicht.
„Zeigt sich das Ministerium Bismark bereit, uns in einen Krieg zu ver-
wickeln, der mit dem lähmenden Bewußtsein des Unrechts geführt werden
müßte, so wird es dagegen durch die Verfolgung seiner reactionären Politik
genöthigt, selbst vor der einfachen diplomatischen Aufrechthaltung unseres
Rechts, des deutschen Rechts gegenüber der Anmaßung Dänemarks,
kraftlos zurückzuweichen. Dem Patriotismus einiger Mittel= und Kleinstaaten
überlassen es die Großmächte Preußen und Oesterreich, die einzig würdige
Antwort zu finden, die Deutschland auf das dänische Märzpatent geben kann.
Es gilt in der Sache der Herzogthümer nicht allein die verpfändete Ehre der
Nation: es gilt auch, eine Stellung zu gewinnen und zu befestigen, die für
den Schutz unserer Küsten, für die Entfaltung unserer Seemacht, für die
ganze politische Zukunft Deutschlands von unberechenbarer Wichtigkeit ist.
Dies kann nur erreicht werden, wenn die uralte Verbindung der Herzog-
thümer in ihrem vollen Umfang wieder hergestellt, ihr Verhältniß zu Däne-
mark auf die Grundsätze der Personalunion zurückgeführt und die ausschließ-
liche Erbfolge des Mannsstamms zur Anerkennung gebracht wird. Das
Londoner Protocoll, das die Erbfolge eigenmächtig ändert, hat für Deutsch-
land und die Herzogthümer niemals bindende Kraft gehabt; die Verabredungen
von 1851 und 1852, die schmählichen Schranken, die man zwischen Deutsch-
land und seinem Rechte ziehen ließ, sind durch Dänemark selbst in dem
Patent vom 30. März gebrochen. Jetzt ist es unsere Aufgabe wahrlich nicht,
diese Schranken mühselig mit eigener Hand wieder aufzurichten, sondern
über ihre Trümmer hinweg nach dem ungeschmälerten Besitz der alten Rechte
zu greifen! Schon hat sich die Erkenntniß dieser Pflicht in zahlreichen Ver-
sammlungen des Nationalvereins, aber auch in politischen Kreisen, die sonst
den Bestrebungen des Vereins feindselig abgewendet sind, laut und nachdrück-
lich geäußert. Man fühlte, daß hier ein gemeinsames Interesse alle achtbaren
Parteien, alle diejenigen, welchen die Ehre und Wohlfahrt ihres Vaterlands
am Herzen liegt, zu einmüthigem Handeln verbindet. Nur durch die An-
nahme und entschlossenste Ausführung des oldenburgischen Antrags können
die Sünden der Vergangenheit gesühnt werden. Und ist es vielleicht für
diese Sühne zu früh? Haben die Herzogthümer noch nicht lange genug den
dänischen Druck erduldet, spielt das Ausland noch nicht lange genug mit
unserer politischen Ohnmacht?!
„Es ist wahr: ein Blick auf die letzten Schicksale der nationalen Bewegung
scheint jede Hoffnung niederzuschlagen. Als im Jahr 1859 Deutschland dem
Krieg entgegenging, wurde das Verlangen tausendfach laut, es müsse die
Leitung der deutschen Politik und Heeresmacht in die Hand Preußens ge-
legt werden. Jene Krisis verlief ohne Entscheidung, sie hatte aber die Er-
kenntniß der alten Wahrheit aufs neue belebt, daß Deutschland die Stellung,
die ihm unter den Völkern gebührt, nicht einnehmen wird, so lange nicht
seine Verfassung im Geist der bundesstaatlichen Einheit von Grund aus refor-
mirt ist. Diese Erkenntniß schuf den Nationalverein und führte zu dem Aus-