faßt der politische Blick eines mittelalterlichen Territoriums nicht.
Schon damals allerdings griffen die Geschicke dieser beiden, durch
mächtige Interessen natürlich verbundenen, Marken ineinander ein,
doch nur insofern, als sie sich ablösten im Vorkampfe gegen die
Völker des Ostens. Sobald die Macht der Askanier in der Mark
zerfällt, tritt der Orden gewaltig vor die Bresche der deutschen
Kultur, und wieder nach dem Siege der Polen in Preußen er—
hebt sich das Haus Hohenzollern und ordnet das zerrüttete Bran—
denburg. Zunächst begegneten sich die Askanier und die deutschen
Herren sogar in offener Feindschaft. Schon längst nämlich hatte
der Orden mit jener Feinheit diplomatischer Kunst, welche die
Aristokratien aller Zeiten auszeichnet, kleine Landstriche Pomerel-
lens friedlich erworben. Gleich Rom wußte er die geistlichen
Nöte der Menschen als Hebel seiner weltlichen Macht zu nutzen.
Manch geängstetes Christenherz erkaufte sich das Heil der Seele
durch Schenkungen an die Gottesritter. Als König Waldemar
der Däne die gelobte Kreuzfahrt in das Heilige Land unterlassen
mußte, fühnte er die Schuld durch ein reiches Geldgeschenk an die
deutschen Herren. Anderwärts förderte den Orden die wirtschaft-
liche Aberlegenheit der Deutschen inmitten des sorglosen Leichtsinns
der Slawen. Seine treffliche Verwaltung, geleitet nach jenen Grund-
sätzen orientalischer Finanzkunst, welche auch Venedig und Neapel
mit Glück anwendeten, bot ihm Schätze baren Geldes — eine
furchtbare Macht in diesen Tagen der Naturalwirtschaft. Bald
löst er einen wendischen Fürsten aus der Kriegsgefangenschaft,
bald bezahlt er einem Wedell seine Schulden oder schenkt einem
Bonin einen Streithengst und 50 Mark Pfennige — und erhält
in reichem Landbesitz den Lohn der guten Tat. Endlich naht die
willkommene Stunde, diese zerstreuten Güter westlich der Weichsel
zu einer stattlichen Provinz abzurunden.
Nach dem Aussterben der pomerellischen Herzöge bestreiten die
Polen das unzweifelhafte Recht der Markgrafen von Branden-
burg auf das verwaiste Herzogtum. König Wladislaw von Polen
ruft den Orden zu Hilfe, um die Askanier aus Danzig zu ver-
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