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DORF in seinem grossen Werke de Jure Naturae et Gentium.!) Ein
Zwischenreich findet, so führt er aus, nur in Monarchien und zwar dann
statt, wenn der Monarch, ohne dass ein Nachfolger vorhanden ist,
verschwindet; welche Fälle im einzelnen hierher zu rechnen sind,
giebt er nicht an. Er wirft die Frage nach der Verfassungsform
des Staates während des Interregnums auf und beantwortet diese
Frage unter Zugrundelegung seiner Theorie über die Entstehung
des Staates. Diese Lehre?) lässt den Staat durch zwei Verträge
geboren werden. Den ersten schliesst eine Menge bisher in natür-
licher Freiheit und Gleichheit neben einander lebender Menschen
unter sich ab: er ist gerichtet auf Vereinigung in einem dauernden
Verbande und Pflege der Wohlfahrt und Sicherheit Aller durch ge-
meinsame Verwaltung (communi consilio duetuque). Dieser Kontrakt
bringt den Staat noch nicht vollständig zu Wege; das geschieht erst
durch einen zweiten, den das Volk mit der Person oder den Per-
sonen abschliesst, der oder denen es das Regiment anvertrauen will:
bei diesem zweiten Vertrage verpflichten sich die Regenten zur Sorge
für die Wohlfahrt und Sicherheit Aller, während das Volk ihnen
Gehorsam zu leisten verspricht.?) Im Interregnum kehrt nun der
Staat zu jenem primitiven Zustande zurück, in dem er sich vor dem
Abschlusse des zweiten Staatsvertrags befand, also zu einer Gestalt, in
der er noch nicht Staat war. PUFENDORF leugnet also im Zwi-
schenreiche die Fortexistenz des Staates, wenigstens im Prinzip; nur
gesteht er zu, dass der Staatsbürgerverband durch das Interregnum
nicht völlig auseinandergerissen werde — was eine vollkommene
Anarchie zu bedeuten hätte —, weil die Bürger trotz der schweren
Krisis des Staates ihre Gemeininteressen und das Gefühl vaterlän-
discher Zusammengehörigkeit auch durch das Zerreissen des staat-
lichen Bandes nicht verlieren. Schon der Egoismus des Einzelnen
weist ihn auf engeren Zusammenschluss mit den Andern hin: ja
PUFENDORF behauptet, dass im Zwischenreiche die Staatsbürger zu
festerem Zusammenhalten weit mehr denn sonst geneigt seien. So
findet er im Jnterregnum nicht eine völlige Demokratie — denn
diese setzt einen vollendeten Staat voraus —, aber, wie das auch
in allen werdenden Staaten der Fall, eine Art Demokratie. Die
1) lib. VII. cap. 7, $$ 7—10.
2) Im Wesentlichen enthalten in dem citirten Werke lib. VII, cap. II.
3) Auch zur Entstehung des demokratischen Staates wird ein zweiter Ver-
trag gefordert; dessen eigenthümliche Konstruktion a. a. O. Hier ist ein näheres
Eingehen darauf überflüssig.