Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

232 193. Heimatklänge. 
nach St. Petersburg, d. h. die Eisenbahn würde in Lissabon 
anfangen, durch ganz Portugal, Spanien und Frankreich, 
durch ganz Deutschland und noch durch einen Theil von 
Rußland hindurchgehen. Auf dieser ungeheuern Strecke geht 
die Bahn über Brücken, die über Abgründe und breite Ströme 
gebaut sind, und durch stundenlange unterirdische Tunneckl. 
Sie führt über Schneegebirge, so hoch wie die Berge, welche 
die Schweiz von Italien trennen. Mitten durch die Gebiete, 
welche von den Indianerstämmen bewohnt werden, durch die 
Urwälder Amerikas hindurch fahren die Züge in waghalsiger 
Eile. Nicht selten fliegen die Kugeln der Rothhäute in die 
Wagen, oder man findet eine Strecke der Bahn aufgerissen, 
so daß man Nothschienen legen muß. 
Eine solche in fliegender Hast zurückgelegte Reise dauert 
sieben Tage, während man früher wohl sechs Monate dazu 
brauchte; freilich geht es dabei auch ununterbrochen, Tag 
und Nacht, vorwärts; denn in den Wüsteneien, die der Zug 
durchbraust, bestehen die wenigen einzelnen Stationen meistens 
nur aus elenden Bretterhütten und Zelten. Um diese Fahrt 
überhaupt für die Reisenden nicht nur zu ermöglichen, sondern 
um sie auch die Bequemlichkeit ihrer Wohnungen nicht vermissen 
zu lassen, hat man die Bahnzüge mit Schlaf= und Speise- 
Wagen versehen, und zwar sind dieselben mit aller möglichen 
Fürsorge ausgestattet. In den Schlafgemächern ruht man 
auf elastischen Matratzen, und in den Speise-Sälen wird 
u jeder Tageszeit nach der Karte gespeist. Für Küche und 
orrathskammern bestehen cigens eingerichtete Wagen. 
193. Heimatklänge. 
Vor der Thüre sitzt der Pflanzer Liebliche Gestalten nahen 
mild umglänzt vom Mondenschein, aus dem fernen Vaterland, 
und er singt zur Mandoline und ihm ist, als ob sie grüfsen 
in die stille Nacht hinein. und ihm reichen froh die Hand. 
Seiner Kindheit denkt er wieder, Stiller wird's in seinem Herzen, 
und ihm wird so freudebang, immer leiser tönt sein Lied, 
hört die Abendglocken läuten, bis im Rauschen der Pecane“) 
hört der Weideflöte Klang. bald der letzte Klang enttflicht. 
Und er hört der Hund' und Wölfe 
klägliches Geheule nicht, 
und aus seinen blauen Augen 
eine Wehmuthsthrüne bricht. 
Endlich nickt er ein und träumet 
von der Heimat, freudebang, 
hört im Traum noch Abendglocken 
und der Weideflöte Klang. 
*) Walnussbäume. 
 
	        
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