Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

256 214. Karl der Große. 
214. Karl der Grofse. 
1. Karl der Grolse folgte im Jahre 768 seinem Vater 
Pipin in der Regierung des Frankenreichs. Man nannte 
ihn den Grolsen, weil er im Frieden wie im Kriege sich 
als ein Mann von hohen Geistesfähigkeiten erwies und 
seine Völker zu besseren, verständigeren und glücklicheren 
Menschen zu machen suchte. Rohe, unwissende Menschen 
waren ihm zuwider. Er liels daher eine Menge Schulen 
anlegen, vor allem eine Hofschule für die Kinder seiner 
Edelleute und Hofbedienten, erschien auch mehrmals 
unvermuthet selbst mitten unter den Schülern, um mit 
eigenen Augen zu sehen, wie es bei dem Unterricht her- 
ging. Einst fand er bei einem solchen Schulbesuch, dass 
lie Söhne der Edelleute und Vornehmen den Bürger- 
kindern an Fleils und Fortschritten weit nachstanden. 
Diese mussten sich zu sciner Rechten, jene aber zu seiner 
Linken stellen. Dann sagte er zu den armen, aber 
fleilsigen Kindern: „Ich danke euch, meine Kinder, ihr habt 
ganz meinen Wünschen entsprochen, euch zur Ehre und 
zZum bleibenden Gewinn.“ Zürnend wandte er sich hier- 
auf an die vornehmen, aber trägen Kinder mit den 
drohenden Worten: „Ihr aber, ihr Söhne der Edeln, die 
ihr euch der Trägheit und dem Mülsiggang überlielset 
und meinen Befehlen ungehorsam gewesen seid, trotzet 
nur nicht auf Stand und Reichthum eurer Eltern; denn 
wisset, Nichtswürdige haben bei mir weder Rang noch 
Ehre. Und werdet ihr nicht fleilsige Schüler, so soll 
keiner von euch mir wieder vor die Augen kommen. 
Beim Könige des Himmels! ich werde euch stralen, wie 
ihr es verdient.“ 
2. Karl der Grolse war ein eifriger Beförderer des 
Christenthums. Er gründete neue Bisthümer und baute 
Kirchen und Klöster. Letztere förderten innerhalb 
ihrer stillen Mauern nicht nur den Unterricht der Jugend, 
sondern sorgten auch für Arme und Kranke und nahmen 
Reisende gastfreundlich auf; denn Gasthöfe gab es in 
damaliger Zeit nur wenige. Auch beschäftigten sich die 
Mönche damit, die guten, alten Schriften der Griechen 
und Römer abzuschreiben, denn damals war die Kunst, 
Bücher zu drucken, noch nicht erfunden; sie schrieben 
die Geschichten der Länder und Völker und die Thaten
	        
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