Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

230. Erfindungen im Mittelalter. 279 
III. Auf die geistige Ausbildung der Menschen war 
die Erfindung der Buchdruckerkunst von großem 
Einflusse. Sie wurde durch die Formschneidekunst vor— 
bereitet. Man schnitt nämlich Bilder von Heiligen, einzelne 
Wörter, ja mehrere Sätze in hölzerne Täfelchen, bestrich 
dieselben mit Farbe und druckte sie dann auf Pergament 
oder Papier ab. Zum Abdrucke eines geschriebenen Buches 
waren deshalb so viele Holztafeln nöthig, als das Buch 
Seiten zählte. Da kam ein Deutscher, Johann Gutten- 
berg, geb. 1397 in Mainz, während seines Aufent- 
haltes in Straßburg auf den Gedanken, die einzelnen 
Buchstaben auf hölzerne Stäbchen zu schneiden und zu 
Wörtern zusammenzusetzen. In Verbindung mit dem Mainzer 
Goldschmied Fust oder Faust, der das zu den Arbeiten 
nöthige Geld gab, und mit dem Bücherabschreiber Peter 
Schöffer brachte Guttenberg die neue Erfindung bald zu 
solcher Vervollkommnung, daß 1456 eine lateinische Bibel 
gedruckt werden konnte. Aber dem Erfinder war es nicht 
vergönnt, den Lohn seiner Anstrengungen zu genießen. Faust 
zerfiel mit ihm, ließ sich durch das Gericht für seine Geld- 
vorschüsse alle Lettern und Geräthschaften zusprechen und 
führte dann mit Schöffer, dem er seine Tochter vermälte, 
das Begonnene in größerem Maßstabe weiter fort. Durch 
die Unterstützung eines Mainzer Rathsherrn wurde zwar 
Guttenberg von Neuem in den Stand gesetzt, sich eine Presse 
zu beschaffen; doch hatten die bittern Erfahrungen die Frische 
und Kraft seines Lebens gebrochen. Er trat später in den 
Dienst des Erzbischofs Adolf zu Mainz und starb am 
24. Februar 1467. 
Schöffer erfand die zur Herstellung der Lettern geeignete 
Metallmischung und die Druckerschwärze und wählte gegossene 
Lettern statt der geschnittenen hölzernen, deren sich Gutten- 
berg bedient hatte. 
Die Kunst des Buchdruckes blieb ein Geheimniß, bis 
i. J. 1462 Mainz erobert und Fausts Werkstätte zerstört 
ward. Die Gesellen desselben, vorher wie Gefangene ge- 
halten, flohen jetzt nach allen Gegenden Deutschlands und 
legten Druckereien an. Außerdem erhielt die Verbreitung 
der Bücher eine wesentliche Förderung durch die Anwendung 
des Baumwollen= und Leinenpapiers statt des theuern Per- 
gaments.
	        
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