326 268. Luther auf dem Reichstage zu Worms.
Glauben und guten Werken so schlicht, einfältig und christlich
gelehrt habe, dass auch die Widersacher selbst müssen be-
kennen, sie sein nütze, unschädlich und werth, dass sie von
christlichen Herzen gelesen werden., So ich nun anfinge,
dieselben zu widerrufen, was thäte ich anders, denn dass ich
einziger unter allen Menschen die Wahrheit, welche beide, Freund
und Feind zugleich bekennen, verdammte und allein aller ein-
müthigen Bekenntniss widerstrebte. Eine andere Art meiner
Bücher ist, so ich wider etliche Personen geschrieben habe,
die sich unterwunden haben, die gottselige Lehre, so von mir
gelehret ist, zu dümpfen und zu vertilgen. Wider dieselben,
bekenne ich frei, bin ich etwas heftiger und schärfer gewesen,
denn es nach Gewohnheit der Religion sich gebühret. Denn
ich mache mich nicht zu einem lleiligen, auch disputire ich
nicht von meinem Leben, sondern von der Lehre Cchristi.
Aber auch diese Bücher zu widerrufen, will mir nicht ge-
bühren, denn solches würde meinen Gegnern nur Muth machen,
sich der Wahrheit zu widersetzen und ihre Tyrannei bestüärken,
wider Gottes Volk grausamer zu wüthen, denn jemals bisher
rgeschehen ist. Doch weil ich ein Mensch bin, kann ich
meinen Büchlein anders nicht helfen noch sie vertheidigen,
denn mein Herr und lHiland Jesus Christus seiner Lehre
gethan hat, welcher, da er von dem Hohenpriester Hannas
um seine Lehre gefragt, von des Hohenpriesters Knecht einen
Backenstreich empfangen hatte, sprach: Habe ich übel geredet,
#s0 beweise, dass es böse sei. Hat nun der Herr, welcher
wusste, dass er nicht irren konnte, sich nicht geweigert,
Zeugniss wider seine Lehre zu hören, selbst von einem geringen
schnöden Knecht, wie viel mehr ich, der ich Erde und Asche
bin und leicht mich irren kann, soll begehren und warten,
ob jemand Zeugniss wider meine Lehre geben sollte. Darum
bitte ich durch die Barmherzigkeit Gottes Ew. Kaiserliche
Majestät, Kur- und Fürstliche Gnaden, oder wer es thun
kann, er sei hohen oder niedrigen Standes, wollen Zeugniss
geben, mich mit prophetischen oder apostolischen Schriften
überweisen, dass ich geirrt habe. Alsdann so ich des über-
zeugt werde, will ich ganz willig und bereit sein, allen Irrthum
zu widerrufen und der erste sein, der meine Bücher ins
Feuer werfen will.“
Die Rede hatte lange gedauert; es war Luther heils ge-
worden, aber auf Begehr des Kaisers, der das Hochdeutsche
wenig verstand, wiederholte er sie auch in lateinischer Sprache.
Der Kanzler sagte zu Luther, man sei nicht hier, um zu dispu-
tiren; nur eine schlichte runde Antwort werde von ihm begehrt,
ob er Widerruf thun wolle oder nicht. Darauf antwortete Luther:
„Weil denn Ew. Kaiserliche Majestät und Gnaden eine