100 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. § 1.
Auch für die bestraften Personen gegenüber im Interesse der öffentlichen
Sicherheit möglichen Aufenthaltsbeschränkungen ist wesentlich das Reichsrecht entscheidend.
Abgesehen von der nach § 39 Ziff. 1 des Reichsstraf-Ges.-B. der höheren Landespolizei-
behörde (in Bayern nach der V.-O. vom 4. Jannar 1872 N. B. S. 25 ff. 8 1
Distriktspolizeibehörde lunmittelbarer Magistrat, Polizeidirektion Münchenl) zukommen-
den Befugniß, den von ihr auf Grund eines (nach § 38 Abs.' 1 des Strafges.-B.) ergangenen
richterlichen Urtheils (nach § 38 Abs. 2) unter Polizeiaufsicht gestellten Personen,
den Aufenthalt an bestimmten einzelnen Orten zu untersagen 1), kommen hier hauptsächlich
die Vorschriften in § 3 des Freizügigkeitsgesetzes in Betracht, welcher zunächst die
landesgesetzlichen Bestimmungen aufrecht erhält, kraft deren bestrafte Personen
Aufenthaltsbeschränkungen durch die Polizeibehörde unterworfen werden können
(Abs. 1) und sodann bestimmt, daß solchen Personen, welche derartigen Aufenthalts-
beschränkungen in einem Bundesstaate unterliegen, oder welche in einem solchen innerhalb
der letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns oder wegen wiederholter Land-
streicherei bestraft worden sind, der Aufenthalt in jedem andern Bundesstaate 2) von der
Landespolizeibehörde (in Bayern Distriktspolizeibehörde lunmittelbarer Magistrat,
in München Polizeidirektion] M.-E. vom 16. September 1879 Amtsbl. d. Minist. d. J.
S. 361 ff.) verweigert verden kann (Abs. 2). Im Anschluß an die eben erwähnte
Bestimmung in § 3 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes erklärt das bayerische Gesetz über
Heimath, Verehelichung und Aufenthalt in der Fassung der Novelle vom 23. Februar
1872 bestimmte Aufenthaltsbeschränkungen gegen Angehörige des bayerischen oder eines
anderen Bundesstaates für zulässig (Art. 43 Abs. 1.
Darnach sollen eesonen, welche wegen bestimmter, im Gesetze genannter strafbarer Hand-
lungen zu einer Freiheiksstrafe, zum Theile von bestimmter Höhe, verurtheilt worden sind,
so daß sie als „gemeingefährlich" oder mindestens „schlecht beleumundet“ erscheinen, in der Zeit
von der Rechtskraft des Urtheils bis zum Ablaufe zweier Jahre nach Beendigung des Strafvoll-
zugs für die Dauer von zwe ei Jabren , in welche jedoch die Zeit der Einsperrung nicht eingerechnet
wird, ausgewiesen werden können (Art. 45 Ziff. 5). Für die gleiche, in gleicher Weise zu berechnende
Frist sollen ferner in der Zeit von der Mechtgtrast des Urtheils bis zum Ablaufe eines Jahres nach
Beendigung des Strafvollzugs ausgewiesen werden können Personen, welche wegen bestimmter, „im
Gemeindebezirke“, also unter „direktem Mißbrauche des Aufenthaltsrechts“ verübter strafbarer Hand-
lungen verurtheilt worden find, und zwar ohne Rücksicht auf Art und Dauer der Strafe“ (Art. 45
6) )). Die Ausweisung kann aber nicht aus einem dieser Gründe allein, sondern nur
) Hier ist auch der Aufenthattsbeschräncungen zu gedenken, denen die auf Grund von § 23 ff.
des Nsdne sttanch d vorläufig aus dem Zuchthaus oder aus dem Gefängniß entlassenen
Sträflinge nach der Belamtmachung der Ministerien der Justiz, des Innern und des Kriegs
vom 1. Jan. 1872 (R.-B 43 ff.) & 12 unterliegen (Nothwendigkeit der Erholung besonderer
polizeilicher Erlaubniß, um dn Unterkunfts= oder späteren Aufenthaltsort auf länger als 18 Stunden
zu verlassen, oder an einem andern Orte auf länger alo 48 Stunden Aufenthalt zu nehmen) oder
in besonderer und vorübergehender Weise nach § 11 dieser Bekanntmachung unterworfen werden
können. v. Sarwey, Staatsr. d. Kgr. Württemberg l. S. 205 macht wohl mit Recht den Ge-
sichtspunkt geltend, daß es sich in Fällen solcher Art „weniger um eine Ausnahme von der Be-
wegungsfreiheit als um eine theilweise Aufhebung von der mit der Strafe verbundenen Entziehung
derselben“ Panden.
2) Die Ansicht, daß der Gegensatz zu „anderem Bundesstaate" nicht derjenige Bundesstaat
ist, in se die erste AnfenthaltsbeIchranknng oder eine der im Gesetze genannten Bestrafungen
verhängt wurde (so Laband, Staats-R. 1. S. 159 und in biesem Handb. S. 33) sondern
der Heimathst aat in dem Sinne, daß auf Grund von S### Abs. 2 des dllipia diecn Ges. ein
Reichsangehöriger aus dem Staate, in welchem er die Heimath (oder den Unterstützungs-
wohnsity) hat, Wist Gusgewiesen werden kann (v. Riedel, Reichs-Verf-Urk. S. 231 ff. Löning,
Verwaltungsrecht S. 262), wird im Wesentlichen auch in der für die bayerische Praxis bestimmten
Literatur aufgestellt. 2 gurte den sehr beachtenswerthen Ausführungen von Luthardt in
den Bl. f. adm. Pr. Bd. 21 S. 131 ff. namentlich Krais, Handb. d. innern Verwaltung
Bd. II. 2. Aufl. S. 27. Neger. Erläuterenen zu der in Bayern geltenden Sozialgesetgebung.
Beil.d Bd. zu den Bl. f. adm. Pr. . S. 210. Vgl. auch Pözl, Verfassungsrecht S
nm
5 Zu Art. 45 Ziff. 5, 6 vgl. den Commentar von v. Riedel u. v. Müller S. 234 ff.