811. Die Rechte der Unterthanen. 101
dann erfolgen, wenn „besondere Verhältnisse die Annahme begründen, daß die öffent-
liche Sicherheit oder Sittlichkeit durch die Anwesenheit der betreffenden Personen
in der Gemeinde gefährdet wird“ (Art. 40 Abs. 2). Das Aufenthaltsverbot kann unter diesen
Voraussetzungen von der „Distriktspolizeibehörde jener Gemeinde, aus welcher zunächst eine Person
ausgewiesen werden soll“ (in unmittelbaren Städten vom Magistrat, in München von der Polizei-
direktion) entweder auf Antrag der Gemeindeverwaltung oder von Amtswegen erlassen werden
(Art. 51. 49 Abs. 2). Die Ausweisung kann immer nur aus einer „fremden“ Gemeinde, d. h.
einer solchen, in welcher der Anszuweisende weder Heimath noch Bürgerrecht hat, geschehen (Art. 45
Abf. 1). „Angehörige des bayerischen Staates, welche auf Grund ihrer Anstellung im
Dienste des Staates, der Kirche, der Gemeinde, einer öffentlichen Körperschaft oder Stiftung
oder zur Erfüllung einer geseylichen Pflicht in einer Gemeinde sich auszuhalten ge-
nöthigt sind, oder welche in der Gemeinde das Bürgerrecht ohne Heimathrecht besitzen,
können aus dieser Gemeinde nicht wahgewiesen werden“ (Art. 48). Auch darf keine Polizei=
behörde Personen, deren Heimath zweifel haft oder streitig ist. aus dem Polizeibezirke
ausweisen. § ihre Heimath ausgemittelt oder ihnen eine vorläufige Heimath angewiesen wurde
(Art. 21 Abs. 1) 1). Das in der Ausweisung liegende Aufenthaltsverbot kann auch auf benach-
barte Gemeinden erstreckt werden. wenn *Esr solche Ausdehnung eine Vereitelung des Zweckes
der Ausweisung zu befürchten wäre (Art. 4 s. 1)2). Auedrücklich bestimmt endlich das Gesetz,
daß sich die Ausweisung nur auf Won Personen erstreckt, gegen welche ein
Diese gesetzlichen Vorschriften sind durch Art. 10 der Novelle vom 23. Febr. 1872 mit den ent-
sppechenden Bestimmungen des Reichsstrafrechtes in Uebereinstimmung gebracht wor worden auf Grund
im § 8 des Einführungsgesees zum Reichsstrafgesetzb. vom 31 ai 1870. Die auch neben
98 2 und 5 dieses Einführungsges. fortdauernde Geltung von landesgesetzlichen Bestimmungen,
wie sie in Art. 45 Fif- 5 und 6 des bayerischen Heimathgesetzes enthalten sind, welche mit
Rücksicht auf § 3 Abs. 1 des Freizügigkeitsges. Aufenkhaltsbeschränkungen bestatten auf Grund
von Strafurtheilen, die nach dem Reichsstrafgesetzbuche gefällt wurden, ohne daß zugleich auf die
Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt worden wäre, wird wie in der baynn ischr: n Praxis
(Sammlung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes Bd. II. S. 70 fl. 374 ff. 718 ff.
IV. S. 477 ff.) so auch in der anderer deutscher Staaten (vgl. die Zeugnisse aus *17 reu n, Sachsen
und Württemberg bei Reger, utscheidungen der Gerictte, und B#wltungsbehörden aus dem
Gebiete des Verwaltungs= und Pozeistrafrechts B S. 325 ff. IV. S. 129 S. 365 ff.)
als feststehend angenommen, vol. — n *735 nordd. Hhafie gesetze als
Reichsgesetze in Bayern II. Abth. Erl. 187 ff., übereinstimmend bonrehtbieg
Löning, Verwaltungsrecht S. 262 ff. und Sa ens d. Staator. d. Kgr. Württemb.
I. S. 202. Anm. 2. A. A. Seydel in den 7 v. D. Reichs 1876, S. 165, G. Meyer,
Staater. S. 573 und Verwaltungor. I. 105, Zorn, Staatsr d. D. Reichs I.
S. 280, auch E. Mayer in der Krit. dieeligu. esetgbung und Rechtswissenschaft
Bd. 26 S. 3356 und Gaupp in diesem Handb. III. 7 Anm. 3, welche die in § 3
Abs. 1 . Freizügigkeitages aufrecht erhaltenen l— ð der Erlassun des Reichsstras.
gesebb. nur noch soweit anwendbar finden, als sie sich auf nicht in diesem Gsh,hbche geregelte
Materien beziehen. — Art. 45 Ziff. 9 des bayer. Ges. v. 16. April 1868, inhaltlich dessen zur Strase
entlufsene oder ohne Vorwissen ihrer Eltern oder Vormünder ausgetretene Studirende oder
Zöglinge einer Unterrichtsanstalt, dann entwichene oder entlassene Lehrlinge binnen
drei Monaten nach der Entfernung aus der Anstalt oder Lehre für die Dauer eines Jahres aus
der Gemeinde weggewiesen werden können, wenn die Familie, welcher sie angehören, nicht in dieser
Gemeinde ihren Wohnsih hat, kann in dieser Allgemeinheit auf Reichsang ehörige nicht ange-
wendet werden, trotz der eugegengesetzten. Bestimmung in Art. 43 Abs. 1 des Eiiwathger, (Art.
der Novelle vom 23. Febr. 1872), da die hier ausgesprochene Berufung auf § 3 de- Frei.
WMaigkittaeil, dosenbar nicht, Juurest (übereinstimmend v. Riedel, die Leaus 8. àsfihl- #r S. 223
und Bl. f. u. Pr. Bd. 202 ff.), doch wird die in Art. 15 Ziff. 9 als zulässig erklärte
tlsen Imn 8 zumeist auf Grund von §& 2 des Freizügigkeitsges. ausführbar
sein, wonach unselbstständige Bundesangehörige den Nachweis der Genehmigung ihres
Gewalthabers (Vaters, Vormunds), führen müssen, um die aus der Bundesangehörigkeit fließenden
Befugnifsse der Frr###gigkeit in Anspruch zu nehmen. Vgl. auch den Commentar zum Heimathges.
von Reger S. 73
1) neber die Jn. angewitfene Heimath vgl. Art. 15—18 des Heimathges. (auch oben
S. 43 bei Anm. 3). Nach Art. 21 Abs. 2 darf andererseits eine Polizeibehörde ebensowenig „solche
Personen, die ihr von einer andern inländischen Polizeibehörde zugewiesen werden, unter dem
Vorwande des Mangels der Heimathberechtigung wegweisen?. Abs. 3 erklärt die den Vorschriften
in Abs. 1 und 2 zuwiderhandelnden Beamten ausdrücklich als haftbar für alle durch die Zuwider-
handlung entstehenden Schäden und Kosten.
2) „Ist in einem Bezirle das Standrecht verkündigt, so kann die auf Grund des Art. 45
verfügte Ausweisung einer Person, welche in keiner Gemeinde des Verwaltungsbegirkes Bürgerrecht
oder Heimath besitzt, auf diesen ganzen Bezirk ausgedehnt werden“. Art. 47