Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

110 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 8 II. 
entscheidet die Distriktsverwaltungsbehörde“ (Art. 37 Abs. 4)1). Die Ertheilung des Zeug- 
nisses gehen einen auf Grund des Art. 36 des Heimathgesehes erhobenen Einspruch ist 
nach Art. 8 Ziff. 5 des Ges. vom 8. August 1878 eine Verwaltungsrechtssache und berech- 
tigt „die gesehlichen 2*i der Gemeinden (den Genteind ausschs in Landgemeinden, die 
Gemcindebevollmächtigten in Gemeinden mit magistratischer Verfassung) oder des Fiskus, 
zur Ergreifung der Berufung an den Verwaltungsgerichtshof (Ges. vom 16. April 1868 8 40. 
8. Aug. 1878 Art. 9 Abf. 1). 
Die im Art. 32 des Heimathgesetzes für die Angehörigen der Landestheile dies- 
seits des Rheines ausgesprochene Anerkennung des Rechtes, sich unter den im Gesetze 
aufgeführten Voraussetzungen zu verehelichen, enthält auch die Anerkennung eines 
Rechtes auf Ausstellung des Verehelichungszeugnisses. Dem entsprechend 
ist die Verweigerung des (nach Art. 33) auszustellenden Verehelichungszeugnisses 
gesetzlich als eine Verwaltungsrechtssache erklärt, so daß gegen den das Zeugniß 
verweigernden Beschluß der Distriktsverwaltungsbehörde Berufung an den Verwaltungs- 
gerichtshof möglich ist (Ges. vom 16. April 1868 Art. 40, 8. Ang. 1878 Art. 8 
Ziff. 5, 9 Abs. 1)7. 
Andererseits ist die Erholung des Verehelichungszeugnisses von der 
Distriktsverwaltungsbehörde der Heimathgemeinde des Mannes nach bayerischem Recht 
für alle Angehörigen der diesrheinischen Landestheile, welche sich zu 
verheirathen beabsichtigen, einerlei, wo die Ehe geschlossen werden soll 2), in der 
Weise Voraussehzung der rechtmäßigen Eheschließung, daß eine ohne solches Zeugniß 
eingegangene Ehe „solange bürgerlich ungiltig“, also ohne öffentlich-rechtliche oder 
privatrechtliche Wirkung ist, „als die Ausstellung jenes Zeugnisses nicht nachträglich 
erwirkt wurde“ 1). Eine Ausnahme von dieser Regel der Ungiltigkeit tritt nur dann 
1) Die Erhebung des Einspruches bindert jedenfalls vorläufig die Ausstellung des 
Verehelichungszeugnisses, dieselbe darf nach Art. 37 Abs. 6 erst dann erfolgen, wenn der Beschluß, 
welcher einen auf Grund von Art. 36 erhobenen“ eialdl, zurückweist, die Rechtskraft be- 
schritten hat. 
2) Vgl. den Commentar von Krais zum Gefs. vom 8. August 1878 S. 
3) Für den Fall, daß ein in den Landestheilen diesseits des Rheines nnchtencchhger 
Mann in der Pfalz eine Ehe schließen will, bestimmt Art. 38 Abs. 1 noch besonders, daß diese 
nur nach Beibringung des in Art. 33 vorgeschriebenen Zeugnisses als geschlosten erklärt werden darf. 
4) Daß die ohne Berehelichungszeugniß geschlossene Ehe kraft des Gesetzes ungiltig 
und nicht blos anfech tbar ist (wie Völk in seinem Commentar zum Reichsges. vom 6. Februar 
1875 3. Aufl. Nördl. 1876 S. 127 ff. annimmt, welcher lediglich der ohne ihre Schuld an der 
Geltendmachung ihreo Einspruchsrechtes gehinderten Gemeinde eine Klage gegen den Ehemann zu- 
gestehen will auf Erklärung der Ungiltigkeit der Ehe ihr, der Gemeinde, gegenüber bis zur nach- 
träglichen Ausstellung des Zeugnisses) erstol schon der kaare Wortlaut der Bestimmung in Arl. 33 
Abs. 2 des Heimathges. ugl. v. Niedel und v. Müller S. 187 ff., v. Sicherer S. 474 ff. 
Anm. 23 ff. zu § 23 des Reichsges. vom %% Februar 187- Ebenso ergibt Jassung und Geschichte 
der eben erwähnten gesetzlichen Bestimmung unzweifelhaft, daß die Ungiltigleit der Ehe sich auch 
auf die privatrechtliche Seite derselben bezieht. Vgl. die Nachweisungen bei v. Riedel und 
v. Müller a. a. O. und bei v. Sicherer a. a. O. Anm. 23. Es läßt sich auch nicht mit 
Hinschius, Commentar zum Reichsges. vom 6. Februar 1575 2. Aufl., Berlin 1876 S. 156 
und G. Meyer, Staatsrecht S. 166 Anm. 6, Verwaltungsrecht I. S. 111 mit zureichendem Grund 
behaupten, daß diese landesrechtliche Vorschrift von der privatrechtlichen Ungiltigkeit der ohne 
obrigkeitliches Zeugniß geschlossenen Ehe durch das Reichsges. vom 6. Februar 1875 ihre Rechts- 
wirkfamkeit verloren habe, da die Aufrechthaltung des in Ziff. I. des Schlußprotokolls zum Ver- 
sailler Vertrag loben S. 29) für Bayern enthaltenen Vorbehaltes auch diesem Reichsgesetze, ins- 
besondere dem § 39 desselben gegenüber keinem Zweifel unterliegt, (vgl. die Nachweisungen aus den 
Reichstagsverhandlungen bei Völk S. 120 ff. und v. Sicherer S. 471 ff. Anm 15), diesem Vorbehalt 
aber offenbar die Absicht zu Grunde lag, die in Bayern über Heimaths= und Niederlassungs- 
verhältnisse eben ergangene Gesetzgebung unberührt zu lassen, und da andererseits die an die 
Nichterholung des obrigkeitlichen Zeugnisses gekuüpfte bürgerliche (auch in privatrechtlicher 
Beziehung wirksame) Ungiltigkeit der Ehe ein wesentliches Stück des Inhaltes dieser 
Gesetzgebung bildet. Der Einwand, daß es sich hier um eine zum Theile privatrechtlich wirk- 
same Bestimmung handelt, kann nicht als durchschlagend angesehen werden, soferne diese Bestimmung 
eben im Zusammenhange der Negelung der Heimath= oder Niederlassungsverhältnisse getroffen ist.
	        
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