Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

811. Die Rechte der Unterthanen. 113 
(also auch in der Pfalz) wird ein von der Distriktspolizeibehörde des Ortes, an welchem 
die Eheschließung erfolgen soll, auszustellendes Zeugniß darüber erfordert, daß 
der Eheschließung kein Hinderniß im Wege stehe. Die Ausstellung desselben ist durch 
den nöthigenfalls von dem die Eheschließung beabsichtigenden Ausländer zu liefernden 
Nachweis bedingt, „daß nach den im Heimathlande des Mannes geltenden Gesetzen diese 
Eheschließung zulässig ist und dieselben Wirkungen hat, wie wenn sie im Heimathlande 
selbst erfolgt wäre“. (Art. 39.) 1) Gegen die Verweigerung dieses Zeugnisses ist lediglich 
Berufung an die vorgesetzte Kreisregierung K. d. J. binnen einer Nothfrist von 
14 Tagen zulässig, nicht aber Berufung an den Verwaltungsgerichtshof (Art. 40 vgl. 
mit Art. 8 Ziff. 5 des Ges. vom 8. Aug. 1878). Die Eheschließung ohne Erholung 
dieses Zeugnisses macht die Ehe nicht ungiltig, begründet aber die Strafbarkeit 
des sie als geschlossen erklärenden Standesbeamten nach Art. 15 des Ausführungsgesetzes 
zur R.-St.-P.-O. *). 
3) Gewerbefreiheit. Kurz vor der Anerkennung der Gewerbefreiheit 
für das gesammte Gebiet des norddeutschen Bundes in dem sog. Nothgewerbegesetz 
vom 8. Juli 1868 war dieselbe in Bayern in umfassender Weise zur Geltung gekommen 
durch das Gewerbegesetz vom 30. Jannar 1868 (oben S. 27). Dieses Gesetz stellt sich 
als Abschluß einer Entwicklung des Gewerberechtes dar, von welcher sich auch im heutigen 
Rechtszustande Bayerns noch deutliche Spuren finden 5. 
In Bayern hatten sich bei einem sehr ausgeprägten Zunftwesen in sehr weitem Um- 
sange die sog. Realgewerbe ausgebildet und zwar in doppelter Gestalt: zum Theile als sog. 
radicirte, zum Theile als reale Gewerbe im engeren Sinne, je nachdem das entspre- 
chende Gewerberecht als mit einem Grundstücke rechtlich verbunden galt oder ohne solche Verbindung 
als vererbliches und veräußerliches Recht dinglicher Art behandelt wurde. Auch Bann- und, 
Zw angsrechte in sehr beträchtlicher Anzahl waren zur Entstehung gekommen 7. 
Novelle vom 23. Februar 1872 in der K. d. A. auf Anfrage abgegehene Erklärung d Ministerial- 
lommissärs (#ehigen, hetanenwnistrenr. Riedel (Verhandlungen der K. d. A. 1871/72 Stenogr. 
Ber der in der vorigen Anm. erwähnten -Mis vom 17. Ang. 1872 aus- 
dMah -#l, S. wolk- n 
.Der Nachweis soll zunächst darthun, daß Ausländer durch die Eheschließung ihre Staats- 
angebönmer auf ihre künftige Ehefrau und ihre in der Ehe geborenen Kinder übertragen und daß 
sie demgemäß nach eingegangener Ehe sammt ihrer Familie von ihrem Heimathstaate auf Erfordern 
wieder werden übernommen werden.“ M.-E. vom 5. Dez. 1875 III. C. Der Nachweis hat sich 
ebensowohl auf die öffentlich rechtlichen als auf die privatrechtlichen Vorau,esetzungen 
der Zulässigkeit der Eheschließung zu erstrecken, auf die ersteren dann nicht, wenn amtlich constatirt 
ist, „daß die Eheschließungen von Ausländern in Bayern dieselbe Wirkung und die nämliche Folge 
haben, wie wenn diese Ehe in ausländischen Heimathstaate des Mannes abgeschlossen worden 
wäre“## M.-E. vom 5. Dez. 1875 III. C., wo einige hier in Betracht kommende Staalsverträge 
des Deusschen Reiches rnbeatr werden. 
2) Da de Ziff. J. des Schlußprotokolls zum Versailler Vertrag enthaltene Vorbehalt 
auc den Art. 39 des Heimath--Ges. deckt, wie in den Notiren Zum Entwurfe des Ausf.-Ges. zur 
..St.-P.-O. (Verhandlungen der K. d. A. 1878/79, Beil. Bd. 5, S. 25) mit Recht hervorgehoben 
2 (vgl. auch Stölzel in der Krit. Vierteljahrschr. 2 27 S 259. so muß die Bestimmung 
in Art. 15 des erwähnten Ausf.-Ges. ebensowohl als zum — der Bestimmung über das Ver- 
ehelichungszeugniß in Art. 39 des Heimath-Ges. gegeben gelten, als zum Schutze der zsprochenden. 
Bestimmungen in Art. 33 und 38 desselben. A. M. Reger in s. Ausg. des Heimath-Ges. S 
3) Ueber die Entwicklung des Gewerberechtes in Bayern seit dem Ende des 18. el, Se4 
ist außer dem Berichte Pözl's als des Berichterstatters des besonderen Ausschusses der K. d. A. über 
den Antrag von Brater u. Cons. „die Gewerbeordnung betr.“ (auf Einsschrung der Gewerbe- 
freiheit gerichtet) in den Verhandlungen der K. d A. 1859/61 Beil. Bd. VI. 224 ff. namentlich 
zu vergleichen die Darstellung vons Josef äie“ der Kampf um ——# und Gewerbe- 
freiheit in Bayern von 1799—1868 (Bd. II. Heft 1 der Staats- und socialwissenschaftlichen For- 
schungen, herausg. von G. Schm 1. Leipzig 1879). 
eber den Po . areredren, Gewerbe von den realen im engern Sinne vgl. 
Rotb, bunsnre S ., Gengler, das Deutsche #rivatecht in s. Grundzügen 
3. Aufl 278, Seydel, das Smierbebetiee# nacheh er Reichsgewerbeordnung in 
. Zusl. Sa P200 Veswich Neichs 1881 S. 588, Kaizl a. a. O. 51 ff. Als radicirte oder 
Hanbdbuch des Oefsentlichen Rechts. III. 1. I. 8
	        
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