114 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. s# 11.
Nachdem schon früher die landesherrliche Gewalt auf das gewerbliche Leben und namentlich
auf die Gestaltung des Zunftwesens in Bayern in sehr verschiedener Weise eingewirkt und dem
letzteren gegenüber den die -betere boerische Lesetzebung bis auf die neueste Zeit beherr-
enden Gedanken der obrigkeitlichen Verleihung als des wesentlichen
Rechtstitels der benp#he -un Gew 94 fnn. zur Geltung zu bringen unter-
nommen hatte!), wurde nach dem Regierungsantritt des Kurfürsten Maximilian Joseph IV.
(König Max Jos. I.) dieses letztere Ziel in sehr energischer Weise versolgt. Zugleich wurde
den Zwangs= und Bannrechten ein Ende gemacht und die Bedeutung der Real-
ewerberechte durch das Verbot der Neubegründung solcher (insbesondere auch der Wieder-
egründung erloschener) und durch Beschränkung ihrer Uebertragbarleit nicht unerheblich gemindert
V.-O. vom 1. Dezbr. 1304 R.-B. 1805 S. 43, 340). Die Selbständigkeit und Wirlsamkeit der
ünfte aber erfuhr wesentliche Beeinträchtigung in verschiedenster Richtung.
Die in der Pfalz in der Zeit der französischen Herrschaft eingeführte SGewerbefrei-
heit blieb auch nach der Erwerbung dieser Provinz für den bayerischen Staat in ungeschmälerter
Geltung. So wurde denn auch das gleichzeitig mit den Gesetzen über die Heimath und über
Ansässigmachung und Verehelichung erlassene Gesetz vom II. September 1825 die Grund-=
bestimmungen für das Gewerbswesen betr. (G.-B. S. 127 ff. oben oben S. 22) in seiner
Anwendbarkeit auf die diesreinischen Landestheile beschränkt 2). Dieses Gesetz, welches sich in seinem
Eingange selbst als eine Vorstufe zur Einführung der vollen Gewerbefreiheit darstellt), fordert
als fast ausnahmslose Voraussetzung zur selbständigen Ausübung eines jeden Gewerbes ohne
Unterschied“ eine besondere obrigkeitliche C oncession?) (Art. 1), deren Verleihung von der
achweisung der persönlichen Fähigkeit des Bewerbers und der „Berücksichtigung des erforder-
lichen Nahrungsstandes“ abhängig ist, wozu dann noch die übrigen gesetzlichen Erfordernisse der
ässigmachung kommen müssen, so daß auch anf diesem Gebiete eine enge Beziehung mit dem
Kasansn Mehent der Ansässigmachung hergestellt war. Sind diese Vorbedingungen erfüllt,
so darf die Concession nicht versagt werden, „jedoch bleibt bey Gewerben, deren Verkehr nach der
Natur der Sache oder nach Beschaffenheit der Umstände sich nicht über die Grenzen einer be-
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—.
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reale Gewerbe erscheinen auch zumeist die sog. Ehehaften. Dieses in Altbayern und Schwaben,
wo es seine hauptsächliche Ausbildung fand, mit diesem sonst meist in anderer und weiterer Be-
deutung gebrauchten Ausdrucke bezeichnete Rechtsinstikut charakterisirt sich wesentlich einerseits durch
den mil dem Gewerberecht des Ehehaftiuhabers verbundenen Anspruch auf bestimmte Leistungen
von möglicher Weise sehr verschiedenem Inhalte gegenüber den Eigenthümern bestimmter Grundstücke,
den sog. Ehehaftsleuten, Ehe haftsverwandten, andererseits durch die Verpflichtung
des ersteren gegenüber den letztteren zur Ausübung seines Gewerbes an dem bestimmten Orte und
zur Leistung gewerblicher Arbeit für jene unter Bevorzugung derselben vor anderen Kunden, theils
um bestimmte Taxe, theils auch wohl unentgeltlich. Näheres siehe bei Stenglein in der Ein-
leitung seines Commentars zu dem demnächst zu wabnden Geseue, vom 23. Febr. 1868 in
Dollmann's Gesetzgebung des Königr. Bayern Theil I. 9 ff. Vgll. auch Roth,
Ewwileecht III. S. 188 ff. und Gengler, d. D. Privatrech! S ss
)VglKreittmaytsAumeiskiiiigeunberden(0il Maximit Bavar. civ. Theil V.,
Cap. 27, und dazu Gierke, das deutsche Genossenschaftorecht I. S. 915 ff., insbesondere die
bei Seydel, bayer. Staatsr. I. S. 146 Anm. 1 aus Mayr's Sammlung der churpfalzb. Landes-
verordnungen 1784 ff. Bd. II. S. 1364 citirte Stelle aus dem Reseript vom 25. Juni 1771, daß „die
Handwerksgerechtigkeiten sua natura nicht erblich, sondern bloße Personalsachen sehnd, welche mit dem
Tod hinweg und der Obrigkeit zur weiteren Verleyhung jedoch solchergestalten heimfallen,
daß die Villigkeit allemal vorzügliche Reflexion auf Weib und Kinder verdient.“ Agl. ferner den
erwähnten Bericht von Pözl S. 22
5 #a#l, über die bayrrische Ganerbeyoliit unter dem Ministerium „Montgelas:
Kaizl . O. S. 48 ff. und neuerdings Seydel, bayer. Staatsrecht l. S.
5 Bi. über die Entstehung 1 den Inbal din Gesetzes den Bericht von ¾! yii 232 si.
244 ff. and Kaizl O. S. 78 ff.
„Wir hren einersciis Erwägung der erheblichen Bedenken, welche der Einführung
einer r priue Freyheit der Gewerbe zur Zeit noch entgegenstehen,
anderer Seits aber in der Absicht, die Hindernisse des Kunstfleißes zu beseiligen — nachstehende
Sibeslummunger für das Gewerbswesen in den sieben ällern Kreisen des Königreichs
estgesetzt.“
Das Gesetz erkennt allerdings im 3. Abschn. Art. 8 freie Gewerb-- und Erwerbs-
arten an, aber nur in dem Sinne, daß „außer den schon durch bestehende Verordnungen und
Einrichtungen der freyen Betriebsamkeit vorbehaltenen Gewerben und Erwerbsarten und außer dem
den Landleuten von nun an allenthalben fre Aegebenen Neben-Erwerb durch Leinweberey — auch
1) die Hervorbringung von eigentlichen Kunstprodukten, 2) alle Arbeiten und Erzeugnisse, zu
deren Verfertigung eine gewerbsmäßige Erlernung und Vorübung nicht erforderlich na. minsbesonderre
diejenigen, welche zu den Gegenständen des Luxus oder der Mode gehören, nach E essen von
dem Staats-Ministerium des Innern entweder überall oder an einzelnen r—*in der freyen
Cnneurren) überlassen werden“ können.