6 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Vayern. 5 1.
an Herrschaftsrecht, namentlich den Bischöfen des Landes gegenüber, und an Herrschaftsgebiet, vor
Allem durch die Abtrennung von Kärnthen und Oesterreich als selbständigen Herzogthümern
erfuhr, so war es doch, als es im Jahre 1180 durch die Entsetzung des Welfen Heinrichs des Löwen
und die Belehnung Otto's von Wittelsbach auf das jetzt noch in Vayern herrschende Fürstenhaus
überging, stark genug, sich in kurzer Frist, unter besonderer Gunst der Verhältnisse allerdings, indem
namenllich die meisten Grafengeschlechter des Landes rasch nach einander ausstarben und deren
Besitzungen und Rechte größtentheils auf die Herzoge übergingen!), zu einer fest begründeten
Landeshoheit umzubilden.
Die wohl schon bei der Erhebung Otto's I. ausgesprochene, durch eine Urkunde König Otto's IV.
für Olto's I. Sohn, Herzog Ludwig vom 15. November 1208) sicher bezeugte Erblichkeit der
Herzogswürde ist für diese Umbildung selbstverständlich von der größten Bedeulung gewesen. Schon
vier Jahre früher bezeichnete sich Ludwig (in einer Urkunde vom Jahre 1204) als monarchiam
Bavariac tenens?). Mit vollster Entschiedenheit aber wird die vollzogene Umwandlung des Herzog-
thums vom Reichsamt in die Landeshoheit und die patrimoniale Auffassung der letzteren dargethan
durch die von Ludwig's I. Enkeln, den Herzogen Ludwig II. und Heinrich XIII. vorgenommene
Landestheilung vom 28. März 1255#). Diese Theilung hat zuerst die damals allerdings nicht
ganz so wie heute gefaßte Unterscheidung von Ober= und Niederbayern begründet. Sie erstreckte
sich zugleich auf die rheinische Pfalzgrafschaft, mit welcher 1214 Otto II., der Vater jener beiden
Herzoge, von König Friedrich II. belehnt worden war, deren Geschicke so in dauernde Verbindung
mit denen des Hauses Wittelsbach gebracht worden waren. Nuu fiel sie mit Oberbayern an Ludwig,
Niederbayern an Heinrich. Das so eingeführte Princip der Gleichberechtigung der Söhne
eines verstorbenen Landesherrn zur Nachfolge in die Landeshoheit hat sich dann Jahrhunderte
lang im Wittelsbachischen Hause behauptet, und zu einer Reihe von Landestheilungen geführt,
die das von den Wittelsbachern beherrschte Gebiet bald in größerer, bald in geringerer Zersplit-
terung erscheinen ließen. Als die für die Geschichte Bayerns wichtigste dieser Theilungen ist offenbar
die zu betrachten, welche Ludwig IV., seit 1314 König, seit 1328 Kaiser, am 4. August 1329 zu
Pavia mit den Söhnen seines verstorbenen Bruders Rudolf I., Rudolf II. und Ruprecht I., und
dem Enlel desselben Ruprecht II. vornahm). Durch diesen Vertrag von Pavia wurden die mit der
rheinischen Pfalzgrafschaft verbundenen Gebiete und ein Theil der bayerischen Lande nördlich
der Donau, für welche sich später der Name der Oberpfalz gebildet hat, den Nachkommen Ru-
dolfs I. überlassen und so die dauernde Trennung der pfälzischen Wittelsbacher
von den bayerischen herbeigeführt, zugleich aber für den Fall des Aussterbens der von der
einen am Vertrage betheiligten Partei begründeten Linie das Successionsrecht der von der anderen
abstammenden in die landeshoheitlichen Rechte der ausgestorbenen festgesetzt. Andererseits hatte Kaiser
Ludwig nach dem Erlöschen der Linie Heinrichs XIII. auch Niederbayern wieder mit Ober-
bayern einschließlich des ihm gebliebenen Landes nördlich der Donau vereinigt und begünstigt.
durch seine Stellung als Reichsoberhaupt ausgedehnte Landgebiete in den verschiedensten Theilen
des Reiches, außer Tirol die Mark Brandenburg und die Grasschaften und Herrschaften Hol-
land, Seeland, Hennegan und Friesland erworben Doch ist weder dieser Erwerb ein dauernder,
noch das unter ihm vereinigte bayerische Land hinfort ungetheilt geblieben. Trot seiner entgegen-
gesetzten Absichten) nahmen seine Söhne am 13. September 13197) abermals eine Theilung ihres
1) Riezler II. S. 12 ff. 2) Quellen und Erörterungen. V. Nr. 3, S. 9 ff.
3) Monum. Boica XXVII. Nr. 46. S. 46. 1) Riezler II. S. 105 ff.
5) Quellen und Erörterungen VI. Nr. 277, S. 298 ff.
6) In einer Urkunde für die niederbayerischen Stände vom Januar 1341 heißt es: „Wir
geheizzen och dem nidern und dem obern lande ze Beym, daz es fürder ein land haizzen sol und
sol ungetailt ewiclich beleiben“. Könne das „ohne Gefährde“ nicht sein, so solle doch wenigstens
während zwanzig Jahren nach seinem Tode keine Theilung stattfinden. Wer von seinen Söhnen
dieser Anordnung nicht folgen wolle, solle von jeder Nachfolge in das Land ausgeschlossen sein.
Diese Urkunde ist mit dem Datum Deggendorf Phinztag nach dem obersten Tag (Donnerstag nach
Epiphanias = 11. Januar) nach dem Original abgedruckt in Quellen u. Erört. VI. Nr. 3
S. 375 ff. Schulze, Hausgesetze I. S. 229 nennt die citirte Stelle zuntheilbarkeitsverordnung "un-
1. Juli 1338“ und aso neuestens Seydel, Grundriß des bayerischen Staatsrechts S. 2, während
doch die von Schulze bei dieser Gelegenheit citirte Vorlegung der fideilommissarischen Rechte
des Hauses Pfalz, Zweibr. 1778, Urkundenbuch S. 172 die gleiche Urkunde mit allerdings etwas ver-
#ndertem Datum vom 15. Jannar 1341 abdruckt. Offenbar liegt eine Verwechfelung mit der
Urkunde Ludwigs d. d. Landshut 1. Juli 1338 vor, in welcher er eine auf den dauernden Gemeinbesitz
alles ihres Erbes, allerdings wiederum nicht unbedingt, gerichtete Verabredung seiner Söhne bestätigt.
Nach dem Original in den Quellen und Erört. „S. 351 ff.
7) Quellen und Erört. VI. Nr. 324, S. 167