Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

82. II. Die innern Staatsverhältnisse und die Konstitution von 1808. 15 
sich, dem nach dem organischen Edikt vom 8. August 1808 (R. B. S. 1869 ff.) für die Finanz- 
verwaltung die Kreisfinanzdirektion mit einem Direktor an der Spitze, dem zwei Finanzräthe 
nntergeordnet waren, zur Seite trat. Ein vom König ernannter Ausschuß der schon erwähnten 
Kreisversammlung sollte die zur Bestreitung der Lokalausgaben nöthigen Auflagen in Vorschlag 
bringen. Doch trat weder Kreisversammlung noch Kreisausschuß jemals in's Leben. Als lokale 
Behörden in den einzelnen Kreisen werden Tit. III. 88§ 5, 6 die Landgerichte und Rentämter 
genannt, deren gleichmäßige Einrichtung im Staatsgebiet schon in der ersten Zeit der neuen Ne- 
gierung in Angriff genommen worden war. Die weitere Ausführung der im fünften Titel der 
Konstitution nur ganz kurz berührten Justizorganisation erfolgte durch das organische Edikt 
die Gerichtsverfassung betreffend vom 24. Juli 1808 (R. B. S. 1785 ff.), welches als Unter- 
gerichte die Stadtgerichte, Landgerichte und Patrimonialgerichte, dann eine Anzahl von Appella- 
tionsgerichten und ein Oberappellationsgericht anordnete, eine Gerichtsverfassung, die der 
Hauptsache nach bis über die Mitte des Jahrhunderts in Geltung blieb, wie denn insbesondere die 
Vereinigung von Verwaltungs= und Rechtspflege, die in den oberen Instanzen getrennt worden waren, 
bei den Landgerichten erst im Jahre 1862 ihr Ende fand. Nach dem Muster des napoleonischen und 
westphälischen Staatsrathes, jedoch unter Beibehaltung des hergebrachten Namens: der Geheime 
Rath, wurde endlich in der Konstitution Tit. III. 8§ 2, 3 eine oberste Behörde zur Berathschlagung 
über die wichtigsten inneren Angelegenheiten des Reiches“ geschaffen, die neben den Ministern aus 
zwölf oder höchstens sechszehn vom König ernannten Gliedern bestehen, und alle Gesetze und Haupt- 
verordnungen nach den ihr vom König durch die einschlägigen Ministerien mitzutheilenden Grund- 
zügen zu entwersen und zu diskutiren haben sollte. Außerdem war ihr durch die Konstitution 
die Entscheidung aller Kompetenzstreitigkeiten zwischen „Gerichtsstellen und Verwaltungen“ und 
der Frage, ob ein Verwaltungsbeamter vor Gericht gestellt werden könne oder solle, und durch das 
or anische Edikt vom 4. Juni 1808, die Bildung des Geheimen Rathes betreffend, (R. B. S. 1329 ff.) 
alich die Entscheidung aller auf königlichen Befehl ihr zuzuweisenden „kontentiösen administrativen 
Gegenstände“ übertragen. Dieses Edilt halte übrigens auch die regelmäßige Anwesenheit des Königs 
und des Kronprinzen in den Sitzungen des Geheimen Rathes und das Recht der in der Residenz 
anwesenden Kronbramten zur Theilnahme an diesen Sitzungen bestimmt. 
Daß bei dem Streben nach Herstellung und Erhaltung einer möglichst starlen Regierungs- 
gewalt die Selbständigkeit der Gemeinden und Korporationen keine Förderung erfuhr, viel- 
mehr die entschiedendste Beeinträchtigung erlitt, lag in der Konsequenz des gesammten politischen 
Systems, welches während Montgelas' Ministerthätigkeit die Neugestaltung des bayerischen Staates 
beherrschte. Nachdem den Gemeinden die eigene Gerichtsbarkeit und sogar die Verwaltung des 
eigenen Vermögens entzogen worden war1), wurde in dem Edikt über das Gemeindewesen vom 
24. September 1808 (R. B. S. 2405 ff.) die Gleichstellung der Gemeinden mit Minderjährigen, 
die unter Staatsluratel stehen, in strengster Weise durchgeführt und die Gemeinde überhaupt 
wesentlich unter dem Gesichtspunkte eines staatlichen Verwaltungobezirkes behandelt. 
Ebenso selbstverständlich wie diese Behandlung der Gemeinden war die möglichste Aus- 
dehnung der kirchenhoheitlichen Rechte, die durch die große Säkularisation in Folge des Reichs- 
deputationshauptschlusses von 1803 Veranlassung und Anhalt in reichem Maße gewonnen hatte. 
Mit Entschiedenheit wurde der Anspruch des Staates, die Grenzen der kirchlichen Selbständigkeit 
zu bestimmen, geltend gemacht . 
Die Verhältnisse der Religionsgesellschaften insbesondere zur Staalsgewalt, fanden ein- 
gehende Regelung in dem organischen Edikte vom 21. März 1809 über die äußeren 
Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreichs Baiern in Bezug auf Religion 
und kirchliche Gesellschaften zur näheren Bestimmungen der 8§ 6 und 7 des ersten Titels der 
Konstitution (R. B. S. 897 ff.), welches wie es einerseits auf früheren seit dem Anfange des Jahr- 
hunderts erlassenen bayerischen Gesetzen zum Theil auch auf dem preußäischen Landrecht Th. II. 
Tit. 11 beruht, so anderseits die wesentliche Grundlage des jetzt geltenden Religionsedikts (der 
zweiten Verfassungsvorlage) wurde, und vor Allem auch Bestimmungen über die schon in der Kon- 
stitution allen Staatsbürgern zugesicherte Gewissensfreiheit, über die Wahl des Glaubensbekennt- 
nisses und über die Religionsverhältnisse der Kiuder aus gemischten Ehen enthält?. 
Die Erlassung dieses Ediktes fiel in die letzte Periode langjähriger, zunächst fruchtlos 
1) Organisches Edikt über die General-Administration des Stiftungs- und Kommunal= 
vermögens im Königreiche Baiern vom 1. Okt. 1807 (RN. B. 1808 S. 216 ff.). 
3 v. Si Wherer. Staat und Kirche, S. 20 ff., 141 
3) Zur Geschichte seiner Entstehung und zur bunersennn seines Inhaltes vgl. die 
Mittheilungden und Bemerkungen bei v. Sicherer a. a. O. 5 ff.
	        
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