6 3. I. Die Begründung der Verfassung. 17
oberste berathende Behörde trat an die Stelle des Geheimen Rathes mit analoger
Kompetenz und Zusammensetzung der Staatsrath.
Die Revision der Verfassung wurde ausdrücklich unter den Geschäften ersten Ranges auf-
gezählt, welche von den Ministerien vor Allem in sorgfältige Bearbeitung und vom Staatsrathe
in reise Berathung genommen werden sollten. Dabei war dann noch in 5 VIII. der Verordnung
vom 2. Februar 1817 bestimmt, daß zur Begründung einer Repräsentation, welche das Ver-
trauen des Volkes und die Kraft der Regierung in sich zu vereinigen geeignet sei, alljährlich in
den Kreisen ein Landrath zusammenberufen werden solle zur Abgabe seines Gutachtens über
die ihm durch den Staatsrath vorzulegenden Gegenstände der Gesetzgebung und Belegung.
Doch sollten nach einem Reskripte vom 6. Juni 1817 der Berathung der Ver-
fassungsurkunde eine Reihe anderer gesetzgeberischer Arbeiten vorangehen; insbesondere
wurde als wesentliche Vorbedingung eines gedeihlichen Resultates der neuen Verfassungs-
arbeit die Neuordnung der Rechtsstellung der Gemeinden im Sinne größerer Selb-
ständigkeit derselben in Angriff genommen und zunächst durch Verordnung vom 6. März
1817 (R. B. S. 153 ff.) die Verwaltung des Stiftungs= und Kommunalvermögens
betreffend diese Berwaltung als Sache der Gemeinden unter staatlicher Oberaufsicht er-
klärt. Am 20. Mai 1818 erfolgte die Bekanntmachung des vom 17. Mai datirten neuen
Gemeinde-Ediktes (G. B. S. 49 ff.), welches mit geringen Veränderungen durch
die Revision von 1834 (G. B. 1834 S. 109 ff.) bis zum 1. Juli 1869 in Geltung
blieb und zum großen Theile die Grundlage der jetzt geltenden Gemeindeordnung ist.
Inzwischen hatten durch eine königliche Entschließung vom 16. Febrnar veranlaßt am 26. Fe-
bruar 1818 die besonderen Ministerialkonferenzen über die Verathung der Verfassung selbst begonnen,
bei denen vor Allem die Arbeiten der früheren Versassungskommissionen Berücksichtigung fanden?).
Von besonderem Einflusse erwiesen sich dabei der Finan minister Freiherr von Lerchen feld und
namentlich der damalige Generaldirektor im Ministerium des Innern (später Minister) von Zentner.
Nachdem noch der Staatsrath über die Verfassungsurkunde berathen und diese
1) Auch die seit dem Ansbacher Hausvertrage von 1796 errichteten weiteren Familiengesetze
und die durch die deutsche Bundegakte gegebenen politischen Verhältnisse sollten nach der Entschließung
vom 16. Februar berüldsichtig werden, (s. den Auszug aus diesem Reskript in der Allg. Zeilung
vom 10. August 1833 S. 3235), ebenso die Bemertungen des Kronprinzen Ludwig zu dem Ver-
sassungsentwurf von 15 5 (Lerchenfeld, Die baierische z rc., S. 22). S. binige bieser
vom 9. März 1815 aus Wien datirten Bemerkungen in der g. Zeitung a. a. O.
Es ist wohl nicht zu bezweiseln, daß die mit der Euhehn vom 16. Februar ein Faa
Beschleunigung der Verfassungsarbeit wesentlich zusammenhing mit der Nothwendigkeit baldiger
Lösung der Frage, in welcher Weise das inzwischen abgeschlossene Konkordat mit dem bisher gelten-
den Kirchenstaatorecht, welches man möglichst unverändert erhalten wollte, in Einklang zu bringen
und in welcher Weise es demgemäß als Staatsgese zu publicieren sei. An den Ministerialkonferenzen
nahmen außer den Staatoministern der Feldmarschall Fürst Wrede, der Präsident des Staatsrathes
Graf Törring, die Generaldirektoren der Mipisterien, die nach der Verordnung vom 2. Febrnar
1817 zugleich Mitglieder des Slaatsraths waren, gelegentlich auch andere Staatsräthe Theil. Mit-
tbeilungen über die Vechandlungen dieser Konferenz siehe bei v. Moy, Lehrb. des bayer. Staats-
rechts I. Th. 2. Abth. S. 95 ff., G. v. Lerchenfeld, Gesch. Bayerns, S. 94, 95; v. Sicherer,
Staat und Kirche, S. 265 ff.; M. v. Lerchenfeld, Zur Gesch. d. baier. Concordats, S. 12 ff.
und Anl. 1, 5 S. 67 fl., dann Allg. Zeitung 1883 S. 3235. Hier wird erzählt, daß in der
29. Sitzung vom 20. Mai die von einem kleinen Comité nochmals geprüfte Verfassungourkunde, in
zweiter Lefung festgestellt, daß sodann in der 30. Sitzung vom 22. Mai, unter Vorsitz d
und in Anwesenheit des Kronprinzen und des Prinzen Karl die 10 Titel der Milchtern von
Staatsrath v. Zeutner vorgetragen worden seien und der König derselben „durch Unterzeichnung
des Protokolls“ seine „Sanktion“ ertheilt habe. Am folgenden Tage habe unter Leitung des Kron-
prinzen eine Staa#srathssihung über die Verfassungsurkunden stattgesunden und darauf habe
ein Signat des Königs, datirt Nymphenburg, 25. Mai 1818, ausgesprochen: -D er durch gegen-
wärtiges Protokoll Uns vorgelegten Verfassungsurkunde und den darauf sich begezenken konstitntio-
nellen Edikten ertheilen wir hiermit Unsere Genehmigung.“ Es schien um so mehr gerechtfertigt,
diese Mittheilungen des offenbar sehr gut unterrichteten Verfassers des erwähnten Artikelg in der
Allg. Zeitung hier wiederzugeben, als die Darstellung der Vorgänge vom 22. Mai an bei Pözl
in der Einleitung zu seiner Sammlung der bayer. Verfassungsgesetze S. XVII. etwas abweichend ist.
Handbuch des Oessentlichen Nechis II. J. * 2