18 Vogel, das Staalsrecht des Königreichs Bayern. 83.
die Sanktion des Königs erhalten hatte, wurde sie am 26. Mai 1818 in der Haupt-
stadt des Landes und sodann in den Hauptstädten der Kreise feierlich verkündigt und
sammt ihren Beilagen in dem neu begründeten Gesetzblatt rechtsförmlich publiciert. In
einer besonderen gleichfalls im Gesetzblatt publicierten Urkunde vom 30. Mai 1818 erklärte
der Kronprinz, daß er die Verfassungsurkunde als ein bindendes Staatsgrundgesetz in
allen seinen Theilen vollkommen anerkenne 7.
Nachdem sodann die Gemeinde-Wahlordnung vom 5. August 1818 (G. B.
S. 477 ff.) erlassen und so die Vornahme der Wahlen zu den Gemeindeorganen er-
möglicht war, die ihrerseits als Wahlkörper für die Abgeordneten aus den Städten und
Märkten zur zweiten Kammer der in der neuen Verfassung angeordneten Ständeversamm-
lung zu fungiren hatten, konnte am 1. Jannar 1819 der Vorschrift des Schlußabsatzes
der Verfassung entsprechend, diese Ständeversammlung zum ersten Male berufen werden.
II. Die Verfassung und das Konkordat. Die bayerische Verfassung vom
26. Mai 1818 7/ ist als die erste umfassende staatsrechtliche Kodification für einen größeren
deutschen Staat von ganz bestimmter Bedeutung für die Entwickelung des deutschen Staats-
rechts geworden. Wenn die großentheils nach französischem Vorbilde gearbeitete Ver-
fassungsgesetzgebung von 1808 und der nächsten Zeit eine Hauptgrundlage der neuen
Verfassung bildete, wenn dann ferner die Charte constitutionnelle Ludwig's XVIII. vom
4. Juni 1814 für andere ihrer Festsetzungen das unverkennbare Vorbild war, so ist anderer-
seits ein einheimisch deutscher und specifisch bayerischer Bestandtheil des Inhalts mit
Sicherheit nachzuweisen und es hat keineswegs ein vollständiger Bruch mit der geschicht-
lichen Entwickelung bei der Abfassung des neuen Grundgesetzes stattgefunden. Ins-
besondere hat man bei der Bezeichnung und Bildung der in zwei Kammern, die der
Reichsräthe und die der Abgeordneten, getheilten Ständeversammlung eine Anknüpfung
an die alte landständische Verfassung beabsichtigt, wie denn die zweite Kammer aus
den nicht schon der ersten angehörigen (adeligen) Gutsbesitzern mit gutsherrlicher Gerichts-
barkeit, aus Abgeordneten der Universitäten, aus Geistlichen der katholischen und pro-
testantischen Kirche, aus Abgeordneten der Städte und Märkte und aus den Landeigen-
thümern ohne gutsherrliche Gerichtsbarkeit sich bilden sollte, so daß je ein Achtel der Mit-
glieder dieser Kammer die adeligen Gutsbesitzer und die Geistlichkeit, ein Viertel die
Städte und Märkte, zwei Viertel die übrigen Landeigenthümer zu stellen hatten, zu
denen dann noch je ein Abgeordneter der drei Universitäten kam. Ausdrücklich aber ist
in der Vorschrift über den Eid der Ständemitglieder (Tit. VII. § 25) wie in der Bestim-
mung der gesammten Rechtsstellung der Ständeversammlung dieser die Natur einer
1) Die Verfassungsurkunde selbst ist im ll. Stücke des Geseblattes vom 9. Juni 1818
publiciert, die Publikation der ihre Beilagen bildenden Edikte geschah in den Stücken VIIII XVII
vom 10. Juni bis zum 18. Juli 1818. Das XVIII. Stück vom 22. Juli 1818 enthält die beiden
Anhänge zur zweiten Verfassungsbeilage, das Konkordat (S. 397 ff.) und das Edikt über die
inneren Angelegenheiten der protestantischen Gesammtgemeinde des Königreichs (S. 437 ff.) und die
„Accessionsurlunde" des Kronprinzen (S. 451). Gleich der Versassungsurkunde sind auch ihre Beilagen,
einschließlich des zweiten Anhanges zur zweiten, vom 26. Mai 1818 datirt, obwohl jedensalls einige
von diesen Stücken erst nach dem 26. Mai in ihrer Redaktion abgeschlossen wurden, was namentlich
von- dem zweiten Anhang zur zweiten Verfassungsbeilage gilt, wie sich aus der bei M. v. Lerchen-
feld, Zur Gesch. d. baier. Concordats S. 15 und Anl. 6, S. 69 ff. mitgetheilten Korrespondenz
wwiscen # Minister v. Lerchenfeld und dem Aronbrinhe berbibt. Vgl. auch Allg. Zeitung
„Die Ministerialkonferenz hielt vom 25. Mai bis 23. Juni noch sechs Sitzungen,
iii welchen einige Edilte und das Familiengesetz festgestellt wurden.“
2 e Uebersicht des Inhalts der Versaslungsurkunde und ihrer Beilagen und eine Beur-
Sbeilung derselben im Sergleiche namentlich mit der Nechtstellung der altbayerischen Landstände gibt
v. Lerchenfeld, Geschichte Bayerns unter K. Max. Jos. I. S. 94 ff. Dazu vgl. Pözl, Von
En Jnhalte und der rechtlichen Natur der ersinn. S. XIX ff. der Einleitung zu seiner
Sammlung der bayer. Verfassungsgeseze. 2. Aufl. 1