Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

22 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. § 4. 
in formeller Selbständigkeit dieser gegenüber. Einzelnes von besonderer Wichtigkeit 
soll in Folgendem hervorgehoben werden. 
Der letzten Regierungszeit König Maximilian Joseph's I. (1 13. Oktober 
825) gehören die drei wichtigen Gesetze vom 11. September 1825 an: über Ansässig- 
machung und Verehelichung (G. B. S. 111 ff.), über die Heimath (G. B. S. 103 ff.) 
und die Grundbestimmungen für das Gewerbewesen betreffend (G. G. S. 127 ff.) 
(dieses letztere wesentlich auf dem Koncessionssystem beruhend mit besonderer Begünsti- 
gung der Inhaber sogenannter realer und radizirter Gewerbe). Unter der Regierung 
seines Sohnes und Nachfolgers Ludwig l. wurden am 15. August 1828 die jetzt 
noch in wesentlicher Geltung stehenden Gesetze über die Grundsteuer (G. B. S. 121 ff.), 
und die Häusersteuer (G. B. S. 169 ff.) das auf dem Prinzip der Konskription und 
Ausloosung mit allgemein möglicher Stellvertretung beruhende Heerergänzungsgesetz 
(G. B. S. 73 ff.) und dann das Gesetz über die Einführung der Landräthe (G. B. S. 
49 ff.) erlassen, welches die Institution des unter diesem Namen für die Pfalz nach der Be- 
sitzergreifung im Jahre 1816 bestätigten Departamental(General)raths auch für die dies- 
seits des Rheins gelegenen Provinzen einführte. Als wichtige Zusätze zur Verfassungs- 
urkunde aus der Zeit König Ludwig's I. erscheinen das Gesetz vom 28. Dezember 1831 
über die Rechtsverhältnisse der auf die Gerichtsbarkeit freiwillig verzichtenden 
Standes= und Gutsherren (G. B. S. 249 ff.), welches die allmähliche Beseitigung 
dieser Gerichtsbarkeit gegen bestimmte Entschädigung anbahnen sollte, dann das Gesetz vom 
1. Juli 1834 (G. B. S. 25 ff.), durch welches die Civilliste des Königs in dauernder 
Weise festgesetzt wurde. In Abänderung des vierten Absatzes von Titel 4 § 8 der 
Verfassungsurkunde wurde ferner durch das Gesetz vom 17. November 1837 (G. B. 
S. 109 ff.) die Zwangsabtretung von Grundeigenthum für öffentliche Zwecke geregelt. 
Von wesentlichster Bedeutung für die praktische Gestaltung der Ausübung des stän- 
dischen Budgetrechts wurde aber das sogenannte Verfassungsverständniß von 
1843, ein nach vorausgegangener Verhandlung mit der Regierung im Einverständniß 
mit derselben am 12. Juli 1843 gefaßter Beschluß der Reichsrathskammer 1) über ihre 
Auffassung von der Natur des Budgets und der Abgrenzung der Befugnisse der Regie- 
rung einerseits und der Landstände andererseits in Bezug auf den Staatshaushalt. 
Dieses Verfassungsverständniß sollte einem mehrjährigen zwischen Regierung und 
Landständen geführten Streite über die Befugnisse der Kammern in Bezug auf die Fest- 
setzung des Ausgaben= und Einahme-Etats (der sog. Budgetmodifikationen) und über 
die Behandlung der sog. Erübrigungen (der Ueberschüsse einer abgelaufenen Finanz- 
periode) ein Ende machen. Eine förmliche Beschlußfassung der zweiten Kammer über 
dieses Verfassungsverständniß hat allerdings nicht stattgefunden, wohl aber wurde im 
Finanzausschusse derselben von dem Referenten über die Staatseinnahmen für die fünfte 
Finanzperiode die Uebereinstimmung der bisher von der Kammer der Abgeordneten fest- 
gehaltenen Anschauungen mit den meisten Sätzen des Verfassungsverständnisses konstatirt, 
allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme, die sich auf das Maß der Berechtigung 
der Regierung zur Leistung von Staatsausgaben im Falle der Nichtübereinstimurng 
von Regierung und Stände über den Ausgabe-Etat bezieht 2). Wenn dann am Schlusse 
1) S. denselben in den Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe vom Jahre 1842/43, 
Bd. 2. S. 363, dann bei Pözl, Sammlung der bayer. Verfassungsgesetze, 1. Aufl. 1852 S. 212 fl. 
(Die zweite Auflage enthält das Gers= Verständniß nicht), dann in Bayerns Gesetze und Gesetz 
bücher, VII. Ergänzungsband S. 655 ff. Ueber die Vorverhandlungen im zweiten Ausschusse ud amnt 
der — vgl. den 4. Bilagenband zu diesen Kammerverhandlungen S. 218 ff., 
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2) S. den Vertrag bes porhrn. v. Rotenhan in den Verhandl. der K. d. A. 1842/43, 
Beil.-Bd. 9, 1. Abth. S.
	        
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