Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

24 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 84. 
bei indirekter Wahl ein wenig beschränktes wesentlich nur an die Volljährigkeit, die 
Entrichtung irgend einer direkten Steuer und die (durch Verurtheilung wegen eines Ver- 
brechens oder eines der vier infamirenden Vergehen: Fälschung, Betrug, Diebstahl 
oder Unterschlagung nicht verletzte) bürgerliche Unbescholtenheit gebundenes allgemeines 
Wahlrecht und eine von denselben, nur durch das Erforderniß eines 30 jährigen Alters 
modificirten, Voraussetzungen abhängige Wählbarkeit zum Abgeordneten, während die 
Wählbarkeit zum Wahlmanne außer einem 25jährigem Alter auch noch von dem Besitze 
des sog. Staatsbürgerrechts im engern Sinne abhängig sein soll. Eine bald nachher in 
einem auf den Landtagen von 1849/50 und 51/52 von der Regierung vorgelegten 
Gesetzentwurfe in Aussicht genommene Aenderung der Zusammensetzung der 
Reichsrathskammer, welche namentlich die Einfügung eines auf Wahl beruhenden 
(16 durch die 300 Höchstbesteuerten jedes Regierungsbezirkes auf Lebenszeit aus ihrer 
Mitte gewählte Mitglieder) Bestandtheiles in dieses wesentlich durch erblich Berechtigte 
gebildete Haus bezweckte, kam nicht zur Ausführung. An die Aenderungen der Zusammen- 
setzung der zweiten Kammer durch das Wahlgesetz von 1848 knüpfte sich übrigens auch 
die Einführung der Bezeichnung Landtag statt Ständeversammlung in der baye- 
rischen Rechtssprache. 
Wesentlich erweitert wurden sodann die Berechtigungen der Volksvertretung durch 
zwei andere Gesetze gleichen Datums, von denen das eine (die ständische Initiative 
betreffend, G. B. S. 61 ff.) jeder der beiden Kammern das Recht des förmlichen Gesetz- 
vorschlages gewährte, unbeschränkt für einfache, nur mit gewissen Beschränkungen 
für Verfassungsgesetze, das andere aber „die Verantwortlichkeit der Minister“ 
(G. B. S. 69 ff.) gegenüber der Volksvertretung bestimmt normirte, was dann auch 
zur Ausstellung wichtiger Rechtssätze über die Amtsverhältnisse der Minister über- 
haupt führte. 
Das vollständige Pogramm einer Justizreform, bei dem zum großen Theil die 
in der Pfalz bestehenden aus dem französischen Nechte stammenden Iunstitutionen zum Vor- 
bilde genommen worden waren, wurde sodann aufgestellt in dem Gesetz vom 4. Juni 1848, 
die Grundlagen der Gesetzgebung über die Gerichtsorganisation, über das Verfahren in 
Civil= und Strafsachen und über das Strafrecht betr. (sog. Grundlagengesetz, G. B. 
S. 137 ff.). Die gänzliche Trennung der Justiz von der Verwaltung auch in den 
untersten Behörden; die Abschaffung des verfassungsmäßig privilegirten Gerichtsstandes 
der erblichen Reichsräthe, der Adeligen, der Geistlichen, der höheren Staatsbeamten und 
des Fiskus; die Einführung der Schwurgerichte, der Staatsanwaltschaft und des Notariates, 
der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens; die Abschaffung der Siegelmässigkeit 
als Vorrecht mit der Einführung der in Aussicht genommenen Notariats= und Prozeß- 
gesetzgebung wurden als die Grundzüge dieser Justizreform aufgestellt. Sie fand zunächst 
eine theilweise Verwirklichung durch die neue Organisation der Strafrechtspflege in der 
Strafprozeßnovelle vom 10. November 1848 (G. B. S. 233 ff.); das zur weiteren 
Verwirklichung derselben erlassene Gesetz vom 25. Juli 1850 (G. B. 1849/50 S. 125 ff.), 
die Gerichtsverfassung betreffend kam nicht zum Vollzuge. 
Die nächsten Jahre brachten dann einige Ergänzungen und Nachträge zu einem Theile 
der oben angeführten Gesetze, zum Theile im Sinne der Verhütung von Mißbräuchen 
gesetzlich eingeräumter Befugnisse. Dahin gehört das Gesetz zum Schutze gegen 
den Mißbrauch der Presse vom 17. März 1850 (G. B. 1849/50 S. 85 ff.), 
das Gesetz vom 30. März 1850 die Ausübung der Jagd betreffend (A. a. O. S. 117 ff.), 
welches unter Aufhebung des erwähnten Gesetzes vom 4. Juni 1848 die Jagdgerech- 
tigkeit auf fremden Grund und Boden als für die Dauer aufgehoben und für die
	        
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