2 I. Das Verhältniß Bayerus zur Reichsgewalt. 31
Endlich sind nach den Bestimmungen im Vertrage vom 23. November Ziff. III.
8§ 5 und 6, welche durch den folgenden § 7 „als ein integrirender Bestandtheil
der Bundesverfassung“ erklärt und in den Schlußbestimmungen zum XI. und XII.
Abschnitt der Reichsverfassung vom 16. April 1871, als wesentliche Modifikationen dieser
Abschnitte enthaltend, ausdrücklich in Bezug genommen, zum Theil (§ 6 cit.) auch fast
wörtlich wiederholt sind, die in diesen beiden Verfassungsabschnitten enthaltenen Anord-
nungen über das Reichskriegswesen und die Reichsfinanzen für Bayern zum großen
Theile durch andere Vorschriften ersetzt, inhaltlich deren vor Allem gegenüber dem ein-
heitlichen Oberbefehl des Kaisers über die gesammte Landmacht des Reiches im Krieg
und Frieden die selbständige Verwaltung des bayerischen Heeres unter der Militär-
hoheit des Königs anerkannt ist, so daß über das bayerische Heer der Oberbefehl
des Kaisers für den Krieg und im Frieden wesentlich nur als Uebung der
Pflicht und des Rechts der Inspektion wirksam wird. Im Zusammenhange damit
ist Bayern auch das Recht der speziellen Regelung seines Militärausgabenetats,
allerdings innerhalb der im Reichsetat hierfür normirten Gesammtsumme und nach dem
Vorbilde dieses Etats verblieben.
Zu den durch einzelne Gesetze des Deutschen Reiches begründeten Sonderrechten
Bayerns, die eine Ausnahme von der Kompetenz des Reiches enthalten, ist zu rechnen
die durch § 3 des Reichsgesetzes vom 26. November 1871 (R. G. B. S. 397 ff., welches
die Maaß= und Gewichtsordnung des norddeutschen Bundes vom 17. August 1868 an
Stelle der jener wesentlich nachgebildeten übrigens gleich ihr damals noch nicht in Kraft
getretenen bayerischen Maaß= und Gewichtsordnung vom 29. April 1869 einführte) auf-
rechterhaltene Befugniß Bayerns, durch seine Normaleichungskommission die Aus-
führung der Maaß= und Gewichtsordnung im Einzelnen zu regeln und zu überwachen
(Art. 11 und 12 des bayerischen Gesetzes vom 29. April 1869, ausgenommen in § 3
des erwähnten Reichsgesetzes), so daß die Kompetenz der deutschen Normaleichungskommission
in Berlin für Bayern ausgeschlossen ist, während die Gleichförmigkeit des Verfahrens der
bayerischen mit dem als für sie maßgebend erklärten der deutschen Normaleichungs-
kommission durch ausdrückliche gesetzliche Vorschrift gesichert ist.
Vor Allem aber kommt hier in Betracht die Vorschrift in § 8 Abs. 1 des Ein-
führungsgesetzes zum Reichögerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877: „Durch die
Gesetzgebung eines Bundesstaates in welchem mehrere Oberlandesgerichte errichtet werden,
kann die Verhandlung und Entscheidung der zur Zuständigkeit des Reichsgerichtes gehörigen
Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten einem obersten Land-
gerichte zugewiesen wersen“ !). Wenn hiedurch eine Zuständigkeit zur Recht-
sprechung in oberster Instanz in ziemlich allgemeiner, möglicher Weise eine
Reihe von Staaten betreffender, Anordnung vorbehalten ist, so ist dieser Vorbehalt doch
nur für Bayern, auf welches er von Anfang an berechnet war, von Bedeutung
geworden, indem Bayern allein ein solches oberstes Landesgericht errichtet hat (bayeri-
iss Ausführungsgesetz vom 23. Februar 1879 zum Reichsgerichtsverfassungsgesetz G. u.
B. S. 273 ff. Art. 42 ff.). Doch ist damit die Zuständigkeit des Reichsgerichts
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten keineswegs vollständig ausgeschlossen, vielmehr ist
diese Zuständigkeit in § 8 Abth. 2 des erwähnten Einführungsgesetzes ausnahmslos
ausgesprochen für die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche zu der seiner Zeit (urch
Reichsgesetz vom 22. April 1871 die Einführung der norddeutschen Bundesgesetze in
Bahern betreffend 8 5 R. G. B. S. 89) auch auf Bayern erstreckten Zuständigkeit
1) Vgl. hierzu Kaband, Staatsrecht des Deutschen Reichs III. S. 149 ff. und in Bd. II. 1.
dieses Handbuchs S.