86. Das Staatsgebiet. 33
nWBweiter Abschnitt.
Bas Staatsgebiet und die Anterthanen.
I. Kapitel.
Das Staatsgebiet ?.
#* 6. I. Die Einheitlichkeit, Untheilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Staats-
gebietes. Wenn auch das Gebiet des bayerischen Staates geographisch nicht einheitlich
gestaltet ist, vielmehr in zwei Ländermassen von sehr ungleicher Größe, die Landes-
theile diesseits und die jenseits des Rheines, zerfällt, wenn ferner auch der
räumliche Zusammenhang der diesseits des Rheines gelegenen Landestheile durch die im
Kreise Unterfranken und Aschaffenburg gelegenen, theils zu Sachsen-Weimar (Ost-
heim), theils zu Sachsen-Koburg (Königsberg, Nassach) gehörigen Enklaven durch-
brochen ist, ist doch die rechtliche Einheit des bayerischen Staatsgebietes in der
Verfassungsurkunde mehrfach und in verschiedenem Zusammenhange zum Ausdruck ge-
kommen. Zunächst wird an der Spitze aller Versassungsbestimmungen in Tit. I. 8§ 1
„das Königreich Baiern in der Gesammtvereinigung aller ältern und neuern Gebiets-
theile“ „ein souverainer monarchischer Staat nach den Bestimmungen der gegenwärtigen
Verfassungsurkunde" 5 genannt. Wenn dann sofort der Satz beigefügt wird: „Für das ganze
Königreich besteht eine allgemeine in zwey Kammern abgetheilte Ständeversammlung“
(* 2). so sieht man, daß in diesen obersten und allgemeinsten Verfassungsbestimmungen
die Einheitlichkeit der staatlichen Herrschaft auf diesem Gebiete und die Gemein-
samkeit der wichtigsten Staatsorgane für dasselbe ausgesprochen ist. Wenn gleich-
wohl eine vollkommene Einheitlichkeit der staatsrechtlichen Normen für das ganze Staats-
gebiet noch nicht hergestellt ist, vielmehr immer noch eine gewisse Verschiedenheit des in den
diesseitigen Landestheilen geltenden Staatsrechts von den öffentlich-rechtlichen Institutionen
der Pfalz besteht, so ist doch diese Rechtsverschiedenheit im Laufe der Zeit immer geringer
geworden 5).
1) Eine sehr eingehende an die Bildung der Gerichtssprengel von 1879 sich anschließende
Uebersicht über die Bestandtheile des bayerischen Staatogebietes mit Rücksicht auf die frühere ge-
schichtliche Zugehörigkeit später mit dem bayerischen Staatsgebiete vereinigter Gemeinden und Ort-
schaften gibt O. Frhr. v. Völderndorff, Civilgesetzstatistik des Königreichs Bayern, II. Aufl.
Nördlingen 1880 S. 143 ff.
· 2) Hier wie an anderen Stellen, an denen ich die Verfassungsurkunde wörtlich anführe, folge
ich der Orthographie des Abdruckes im Gesetzblatte von 1818.
3) Die Begründung auch der privatrechtlichen und strafrechtlichen Rechtseinheit
für das ganze Staatsgebiet war schon in der Konstitution von 1808 in Aussicht gestellt. Aus ihr
CTit. V. 8 7) ist in die Verfassungsurkunde (Tit. VIII. § 7) der Sat übergegangen: „Es soll für
das ganze Königreich ein und dasselbe bürgerliche und Strafgesehbuch bestehen“. Diese Ver-
sprechung ist in ihrem zweiten Theile durch das bayerische Strafgesetzbuch vom 10. November 1861
erfüllt worden, an dessen Stelle seit dem 1. Jannar 1872 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (Reichsges.
v. 22. April 1871 § 7) getreten ist. Die privatrechtliche Rechtseinheit wird für Bayern wie für
ganz Deutschland erst durch das in Aussicht stehende allgemeine deutsche Civilgesetzbuch herbei-
geführt werden.
Handbuch des Oessentlichen Rechtg. III. 1. 1. 3