46 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 87
sechs Jahren seit Erwerbung der Staatsangehörigkeit verlangt (Beil. J. & 8c); eine
Vorschrift, die nach Art. 3 der deutschen Reichsverfassung jetzt nur noch auf naturalisirte
Ausländer Anwendung finden kann.
Als weitere Voraussetzung der Erwerbung und Ausübung des Staatsbürgerrechts
mußte nach der Verf.-Urk. Tit. IV. § 9 Abs. 2 Beil. II. 88 19, 25) auch die Zu-
gehörigkeit zu einer der drei öffentlichen christlichen Kirchengesellschaften gelten, deren
Mitgliedern durch das Gesetz vom 1. Juli 1834 (G. B. S 41 ff.) die Bekenner der
unirten wie der nicht unirten griechischen Kirche im Genuß der bürgerlichen und der
politischen Rechte gleichgestellt wurden.
Mit der Einführung des Gesetzes vom 3. Juli 1869 über die Gleichberechtigung
der Konfessionen ist dieses Erforderniß gänzlich beseitigt worden, nachdem es bis dahin,
wie erwähnt wurde, den größten Theil seiner Bedeutung eingebüßt hatte, indem die
politischen Rechte in ihrem Erwerb und ihrer Ausübung mehr und mehr als vom
Glaubensbekenntniß unabhängig erklärt worden waren.
Als Gründe des Verlustes des Staatsbürgerrechtes kennt die
Verfassung Tit. IV. § 2 Beil. I. § 10) abgesehen von dem Verluste des Indi-
genates, welcher stets auch den des Staatsbürgerrechtes nach sich zieht und von
der in Bayern schon durch das Gesetz vom 18. November 1849 (G. V. S. 17 ff.)
abgeschafften Strafe des bürgerlichen Todes, die ohne ausdrückliche Erlaub-
niß des Königs geschehene Annahme von Diensten oder Gehalten
oder Pensionen oder Ehrenzeichen einer auswärtigen Machtm.
Dabei muß es nach der Bedeutung, welcher nach der Verfassung der Ansässig-
keit im Königreiche für den Erwerb und die Ausübung des Staatsbürgerrechts
zukommt, als selbstverständlich erscheinen, daß auch durch deren Aufhebung das Staats-
bürgerrecht verloren gehen muß?).
Die Frage über den Besitz des Staatsbürgerrechts kann in letzter Instanz vor
den Verwaltungsgerichtshof gebracht werden. (Gesetz vom 8. August 1878 Art. 8
—*ie
Das Staatsbürgerrecht erscheint nach der Verfassungs-Urkunde als die wesentlichste
Voraussetzung für die Ausübung der politischen Rechte in Bayern (Beil. 1 § 9).
Dabei sind aber besondere Voraussetzungen „zur Ausübung gewisser vorzüglicher staats-
bürgerlicher Rechte“ noch ausdrücklich vorbehalten (Beil. I. S 8c). Dies gilt insbe-
sondere von der „verfassungsmäßigen Theilnahme an der Ständeversammlung“, für welche
das Staatsbürgerrecht in ganz allgemeiner Weise als verfassungsmäßige Voraussetzung
genannt ist (a. a. O. 8 9). Aber gerade in dieser Richtung hat das Staatsbürgerrecht
seine selbstständige Bedeutung fast vollständig eingebüßt. Insbesondere ist die Wähl-
barkeit zum Abgeordneten zur zweiten Kammer nach dem Wahlgesetze vom 9. Juni 1848
(Art. 11 der Redaktion vom 22. März 1881) von dem Staatsbürgerrecht unabhängig.
Das Gleiche gilt nun auch von der Wählbarkeit zum Wahlmanne nach § 4 der Novelle
vom 21. März 1881 (Art. 10 Abs. 1 des Wahlgesetzes nach der erwähnten Redaktion).
1) Daß unter diesem Ausdrucke die deutschen Staaten nun nicht mehr verstanden werden
können, wie Pözl, Verfassungsrecht S. 78 Anm. 18 meint, scheint mir nicht zuzutreffen. Die
Staatsangehörigkeit allerdings kann durch den Eintritt in die Dienste eines anderen deulschen
Staates nicht verloren gehen. Das Gleiche aber auch für das Staatsbürgerrecht anzunehmen,
scheint bei dessen eigenthümlicher Natur nicht gerechtfertigt und insbesondere auch durch Art. 3 der
Reichsverfassung nicht geboten, da der an den Eintritt in die Dienste eines anderen deutschen
Staates geknüpfte Verlust des Staatsbürgerrechtes nicht als Beschrönlung, in der Annahme eines
solchen üses angesehen werden kann. Agl. auch Bl. f. adm. . B. 7
2) Vglgl. PöZzl a. a. O. S. 78 und die Bl. f. adm. Pr. 1. —
3) 2 ist überhaupt eine Verwaltungsrechtssache im Sinne des zchen 6#es.