88. Die Pflichten der Unterthanen. 40
II. Einzelne Verpflichtungen zu bestimmtem perfönlichem Verhalten. Daß die
allgemeinen Unterthanenpflichten theils gegenüber der Person als solcher, theils gegen-
über dem Bermögen wirksam werden, ist in der Verfassungs-Urkunde an verschiedenen
Stellen anerkannt. In ersterer Beziehung ist insbesondere die Verpflichtung aller Bayern
zum Kriegsdienste und zur Landwehr „nach den diesfalls bestehenden Gesetzen“ aus-
gesprochen. (Tit. IV. § 12) 0.
Die Wehrpflicht der bayerischen Staatsangehörigen, welche mit Rücksicht auf
die im Versailler Vertrag vom 23. November 1870 (III. S 5 III.) anerkannte Selbst-
ständigkeit der Verwaltung des bayerischen Heeres unter der im Frieden wesentlich un-
beschränkten Militärhoheit des Königs von Bayern (s. oben S. 31), unstreitig als eine
Verpflichtung gegen den bayerischen Staat erscheint, ist nunmehr durch das Reichsrecht
geregelt. Art. 57 und 59 der Reichsverfassung gelten auch für Bayern, und die die
Wehrpflicht regelnden Gesetze des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches sind
auch in Bayern theils nachträglich eingeführt worden, theils von Anfang an zur Geltung
gekommen ).
Reichsgesetzlich geregelt ist auch die aus der Reichsangehörigkeit sich ergebende Pflicht
zum Schöffen= und Geschworenendienste, welche an sich alle Reichsangehörigen
triffts), und ebenso in gewissem Umfange die regelmäßig durch den Aufenthalt
1) Vgl. auch Tit. IX. & 1 Abs. 1. „Jeder Baier ist verpflichtet, zur Vertheidigung seines
Vaterlandes sach den hierüber bestehenden Gesetzen mitzuwirken“. Ueber die aus dem Unterthanen-
verhältniß hervorgehenden Wirkungen auf das Vermögen val. Tit. IV. 5 1 „Die Theil-
nahme an den Staatslasten ist für alle Einwohner des Reichs allgemein, ohne — irgend
eines Standes und ohne Rücksicht auf vormals bestandene beson dere bBesrehungen“ und dazu die
aus dem Ansbacher Vertrage von 1796 Art. 13 (Schulze, Hausges. I. S. 303) und der Fidei-
kommißpragmatik von 1804 Art. II. 4 (R. B. 1805 S. 171), allerdings nicht ohne Aenderung der
Fossung, entnommene Vorschrift in Tit. III. § 4 Abs. 2: „Auch kann keinem Staatsbürger eine
Befreyung von den öffentlichen Lasten bewilliget werden“.
2) Die einzelnen hierher gehörigen Gesetze neunt Laband in diesem Hdb. II. 1. S. 163
Anm. 1. Das wichtigste dieser Gesetze, das vom 9. Nov. 1867 über die Verpflichtung zum Kriegs-
dienste wurde kraft der in Ziff. III. §8 5 Nr. 1 des Versailler Vertrags vorbehaltenen Verständigung
ber seine Einführung in Bayern durch das Reichsgesetz vom 24 Nov. 1871 (R. B. S. 398
büber Wahrung der dem Könige von Bayern nach Ziff. III. 9 5 Nr. III des Versailler Vertrags
zustehenden Rechte vom 1. Jan. 1872 an in Bayern eingeführt. Damit zrat das auf den wesentlich
gleichen Grundsähen bernhende bayerische Wehrgesetz vom 30. Jan. 1868 (s. o. S. 27) in seinen
meisten Bestimmungen außer Kraft. Die in § 2 des erwähnten Neichsgesetzes aufrecht erhaltenen
Artikel des Gesetzes vom 30. Jan. 1868 beziehen sich nicht unmittelbar auf die Erfüllung der
Wehrpflicht. Art. 22 dieses Gesetze# ist seitdem durch Gesetz vom 15. April 1875 (G. u. V. B.
S. 358) aufgehoben worden. Der setbstfländigen Stellung des bayerischen Heerwesens entsprechend
ist auf Grund der über die Wehrpflicht und die Ergänzung des Heeres geltenden Gesetze und im
Anschlusse an die deutsche Heerordnung vom 28. Sept. 1875 und an die deutsche Wehrordnung
vom gleichen Tage für Bayern eine Wehrordnung mit Königl. Verordnung vom 21. Nov. 1875 (G. u.
V. B. S. 771,) abgeändert und ergn durch Betanntmachung der Ministerien des Innern und des
Krieges vom 17. Okt. 1880, (G. u. V. B. S. 603 ff.) und eine Heerordnung mit Bekanntmachung
des Kriegoministeriums vom 20 Dez. 1875 (Mil.-Verordn.-Bl. S. 608 ff.) verlündigt worden.
Val. Wehrordnung und Heerordnung für das Königreich Bayern, sowie die einschlägigen
Gesebe und Vollzugsbestimmungen, herausgegeben von J. Zenetti. Nördlingen 1876, dazu
zwei Eshänmmge, Bde. 1878, 1882.
Vgl. hierüber Laband, Staatsr. des Deutschen Reiches III. 11. S. 126 ff. und in diesem
Hbb. “ I. S. 185 ff. Das baverische Ausführungsgesetz zum Neichsgerichtoversassungsgesele vom
23. Febr. 1879 (G. u. V. B. S. 273 ff.) hat in Art. 23, 34 auf Grund von §8 34 Abs. 2 des
letzteren Gesezes den Präsidenten, - Direktor und die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes
zu den Personen gezählt, welche nicht zu dem Amte eines Schöffen oder Geschworenen berufen
werden sollen. Für die Pflicht, als ein aus den Einwohnern des Amtsgerichtobezires gewählter
Vertrauensmann in den nach dem Reichsgerichtsverfassungsgesetze (§§ 40 ff., 87 fl.) bei jedem
Amtsgerichte zu bildenden Ausschuß einzutreten, welchem die Entscheidung von Gnniishobe gegen
die Urlisten, sowie die Feststellung der Schöffen-Jahreslisten und der Geschworenen-Vorschlagslisten
obliegt, sind ebenso wie für die Fähigteit, als solcher Vertrauensmann gewählt zu werden, in Art. 25
des erwähnten Ausführungsgesetzes die entsprechenden für die Berufung zum Schöffen= und zum
Handbuch des Oessentlichen Rechts. III. 1. 1. 4