64 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 89.
Privaten, denen von der Regierung unter Bedingungen, welche die Erreichung des
Zweckes und seiner Gemeinnützigkeit sichern, die Ausführung einzelner im Art. I. auf-
gezählten Unternehmungen eingeräumt wird“. (Art. IV.) Die Expropriation in Fällen
dieser Art setzt aber immer eine rechtskräftige Entscheidung in bestimmt
geordnetem Verfahren voraus über die Zugehörigkeit des Unternehmens zu den
im Gesetze vorgesehenen Fällen, über die Nothwendigkeit seiner Ausführung für den gemeinen
Nutzen wie über die Nothwendigkeit der Abtretung oder Belastung des angesprochenen
Eigenthums zur zweckmäßigsten Verwirklichung desselben, falls diese Voraussetzungen
der Expropriation von den auf der Gegenseite Betheiligten oder von einem der-
selben widersprochen werden, und darf ebenfalls nur gegen volle Entschädigung
stattfinden, die (im Gegensatze zu den Fällen der Zwangsenteignung um öffentlichen
Nothstandes willen) der Abtretung vorangehen soll 0. (Art. I. IV. des Ges.)
Als Unternehmungen, zu deren Gunsten in solcher Weise eine Expropriation eventuell nach
durchgeführtem rechtsförmlichem Verfahren stattfinden kann, sollen nach Art. 1. A. des Ges. gelten:
gewisse Unternehmungen zu Zwecken der Landesvertheidign ang (Erbauung von Festungen
oder sonstigen Vorkehrungen zu Landesdefensions- und Fortifikations-Zwecken, insbesondere auch
Militäretablissements (Ziff. 1); zu Kultus= und Unterichtszwecken (Erbaunng oder Erweite-
rung von Kirchen, öffentlichen Schulhäusern (Ziff. 2), Herstellung neuer oder Erweiterung schon
bestehender Gottes-Aecker (Ziff. 3), zu Zwecken der Arantenpflege (Erbauung oder Er-
weilerung von Spitälern, Kranken= und Irrenhäusern (Ziff. 3), für Landstraßen (Anlegung
neuer und Erweiterung, Abkürzung oder Ebenung schon besiehendel Staats-, Kreis= und Bezirks-
straßen Ziff. 5), für Erbauung von Brücken Giff. 9), für Errichtung von Eisen bahnen (zur
Besörderung des inneren oder äußeren Handels und Verklehrs Ziff. 11), für Aufstellung von
Teleg raphen zum Dienste des Staates (Ziff. 12), sodann für eine hnzaht von Unternehmungen
im Interesse der Benüpung des Wassers und des Schußes vor Wassergefahr (Nege-
lung des Laufes und Schiffbarmachung von Strömen und dlahen 4), Herstellung öffentlicher
Wasserleitungen Ziff. 6), Beschützung einer Gegend vor Ueberschwemmungen (8iff. 8), Er-
bauung von öffentlichen Kanälen und Schleußen Ziff. 9), Erbamung öffentlicher Häfen oder
Vergrößerung schon vorhundener Ziff. 10):), für Austrocknung schädlicher Sümpfe in der Nähe
von Ortschaflen Gis. r. endlich (in ganz allgemeiner Weise) für Vorkehrungen zu wesentlich
nothwendigen sanitäts, oder sicherheitspolizeilichen Zwecken, insbesondere Sicherung
der Kunstschae und wissenhekostlichee Sammlungen des Staates vor Feuers= oder anderer Gefahr
(Ziff. 13, 14).
Das Verfahren in den Fällen dieser regelmäßigen Expropriation gliedert sich zwei-
fach: in das eigentliche Enteignungsver fahren und in das Entschädigungs-
verfahreng).
Dem ersteren geht ein Vorverfahren voraus, in welchem das Ministerium des Innern
auf den auf Zwangsabtretung gerichteten, bei der Kreisregierung einzureichenden Antrag, erforder-
lichen Falls nach Einvernahme der einschlägigen Distrt polizeibehörden, über die wirkliche
Einleitung des Enteignungsverfahrens entscheidet (Art. XIV)/)
Das Enteignungsverfahren hat die Entscheidung über die Verpflichtung zur
Zwangsabtretung und die Feststellung der Abtretungsgegenstände zum Zweck. Wenn
die unter Vermittelung der Distriktspolizeibehörde zu versuchende gütliche Vereinigung der
Betheiligten nicht zu Stande kommt, so kommt es zu einem Verwaltungsstreit-
verfahren. Alle bestrittenen Rechtsansprüche und Verbindlichkeiten in Bezug auf die
Zwangsabtretung von Grundeigenthum oder Belastung desselben mit Dienstbarkeiten sind
nach bayerischem Rechte (Ges. über den Verwaltungsgerichtshof vom 8. August 1878
Art. 8 Ziff. 10) Verwaltungsrechtssachen einschließlich der Frage, ob. das betreffende
„Gegen vorgängige volle Entschädigung“, ein Grundsaß, der allerdings durch das Aus-
sierncrein zur C. P. O. und Konkurs-Ordn. Art. 51 einigermaßen modifizirt worden ist. S. hier-
über unten
2) Die Wassergesetze haben die in diesen Zusammenhang gehörigen Fälle der Expropriation
theils spezialisirt, theils vermehrt, vgl. die Zusammenstellungen bei Pözl, Sammlung der bayer.
Verfasfungsgesecz, II. Aufl. S. 38 ff. und Roth, Civilrecht II. 175 ff.
Seydel, Grundriß zu Vorlesungen über das boyerische „eralinnt S. 112.
iv) Präliminarverfahren (Hartmann a. a. O. S. 6 1).