66 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 89.
Die gerichtliche Zuständigkeit bemißt sich, außer nach dem Werthe des Streitgegen-
standes nach der Lage der abzutretenden Grundstücke, so jedoch, daß dann, wenn es sich um in ver-
schiedenen Gerichtsbezirken gelegene, aber im Pertinenzverhältnisse stehende Grundstücke handelt,
dasjenige Gerichl zuständig ist, in dessen Bezirke der bedeutendere Theil der Grundstücke
(wenn das betreffende Gut mit Gebäuden versehen ist, das Hauptgebäude) liegt"!). Dabei
ist auf Verlangen auch nur einer Partei eine neue Schätzung vorzunehmen, zu welcher die
Schäßlente, welche den Abtrekungsgegenstand im Verfahren vor der Distriltspoligeibehörde esschäl
haben, nur mit Zustimmung der Parteien als Sachverständige ernannt werden dürfen
Der Vollzug der Expropriation „die Einweisung in den Vesit der
Abtretungsgegenstände“ erfolgt durch die Distriktsverwaltungsbehörde und zwar ohne
Rücksicht auf den Lauf der Frist zur Betretung des Rechtsweges oder auf die Beendi-
gung des gerichtlichen Verfahrens, falls er betreten wurde. Die Voraussetzungen, unter
denen der Abtretungsberechtigte diese Einweisung verlangen und sodann über die
Abtretungsgegenstände „nach Maßgabe der Zweckbestimmung frei verfügen“ kann, sind
einerseits die Feststellung der Entschädigungssumme durch die Distriktsverwaltungs-
behörde und die Erlegung dieser Summe und des Betrages der dem Abtretungs-
pflichtigen erwachsenen Kosten andrerseits, wozu dann noch, falls nicht der Staat der
Abtretungsberechtigte ist, „nach Anordnung des angerufenenen Gerichts“ Sicherheits-
leistung für den Fall der Erhöhung der Entschädigungssumme durch richterliches
Urtheil kommen kann?).
Uebriges bestimmt das Ges. vom 17. Nov. 1837 Art. XVII, daß im Enteignungsverfahren
von der Distriktsverwaltungsbehörde eine gütliche Einigung der Betheiligten über die Ab
tretungsfrage und über die zu leistende Enkschädigung zu versuchen ist. Art. 48 des Ausf.-Ges.
vom 23. Febr. 1879 schreibt den gleichen Versuch einer gütlichen Einigung abrt. die Entschädigungs-
summe für das administrative Entschädigungsverfahren vor und Art. 55 desselben Ges. erklärt
eine gütliche Einigung der Betheiligten über die Abtretung oder über die zu leistende Entschä-
digung als mit der Protokollirung durch die Distriktsverwaltungsbehörde (also ohne notarielle
Beurkundung) rechtswirksam.
Ausdrücklich erklärt das Gesetz vom 17. Nov. 1837 Art. XII. Abs. 4 den ent-
wehrten Eigenthümer für befugt, sein Eigenthum gegen Rückgabe des empfan-
genen Preises zurückzuverlangen, falls nach erfolgter Abtretung das Unter-
nehmen selbst, um dessenwillen sie erfolgte, rückgängig werden sollte ).
1) Es. lann sonach im einzelnen Falle die Zuständigkeit des Amtsgerichts oder auch die
des Landgerichts begründet sein. Die im Regierungsentwurse zu dem Ausführungggesetze zur
R.-C.-P.,O. vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts begegnete im Gesehgebungs-
ausschusse der Abgeordnetenkammer Widerspruch. Andrerseits soll als das Streitobjekt, ch dessen
Werth sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts oder die des Landgerichts bemißt, die ganze Ent-
schädigungssumme betrachtet werden, wie die von der Mehrheit dieses Musschustes rwäghte
Fassung der Worte „Entscheidung über len Betrag der zu leistenden Entschädigung ergibt Val.
Verhandl. d. K. d. A. 1877/81 Beil. B. VI. S. 63 und dazu Hartmann g. a. O. S. 79. Anm. 4.
2) Das Euischadigmgpersah B 1 durch Art. 45 —51 des zpssbeng deihen zur
R.-C.-P.-O. und Konk.-Ord. 23. 1879 (oben S. 62), welche nunmehr statt des gleich-
falls aufgehobenen Art. 6 ben Ginfühleengögeseen zur bayer. Civilproßordnung vom . April
1869 an die Stelle von Art. XIX. XX. und XXII. Ziff. 5, 6 des Ges. vom 17. Nov. 1837 getreten
sind. Durch sie ist das schon im Entwurfe zu diesem Gekile enihaltene administrative Schätzungs=
verfahren eingeführt worden. Sie sollen nach Art. 54 desselben Ausf.-Ges. entsprechende Anwendung
finden, wenn es sich um zwangsweise Belastung mit einer Dienstbarkeit für öfsentliche
Zwecke oder um mit dem zu entwehrenden Grundeigenthum verbundene Rechte handelt. (Art. II.
des Ges. vom 17. Nov. 1837 f. oben S. 63) Art. 52 a. a. O. erklärt in Uebereinstimmung mit
dem nunmehr ausgehobenen Art. bes Ges. von 1837 den Abtretungsberechtigten für
verpflichtet zur Tragung der Kosten des Enteignungsverfahrens und des admini-
strativen Schätzungs verfahrens, sowie zur Vergütung „der den Betheiligten hiedurch
verursachten nothwendigen Auslagen“ und das gesammte Administrativverfahren als
gebührenfrei (anerkannt in Art. 3 Ziff. 3 des Gebührengesebes vom 18. Aug. 1879), läßt
aber in Abweichung von jenem Art. XXI. über die Tragung der durch die anhängig gemachten
Prozesse erwachsenden Koslen die Gerichte nach Maßgabe der Bestimmungen der Civilprozeß=
ordnung entscheiden.
3) Unier den gleichen Voraussetzungen muß auch die Befreiung von der Belastung eines
Grundstücks mit einer Dien stbarkeit verlangt werden können.