Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

810. Die Rechte der Unterthanen. 81 
Insoferne durch die Gesetzgebung des Reiches die Festsetzung gewisser Freiheitsrechte 
erfolgt ist, sind diese für die Reichsangehörigen jedem Einzelstaate gegenüber begründet; 
abgesehen hievon ist die rechtliche Gleichstellung aller Reichsangehörigen in jedem zum 
Reiche gehörigen Einzelstaate auch in dieser Beziehung durch den Art. 3 der 
R.-V. angeordnet. Wieweit die, theils in der Reichsgesehgebung, theils in dem baye- 
rischen Landesrechte begründeten Freiheitsrechte den Ausländern zukommen, kann nur 
eine Uebersicht über dieselben ergeben, wie sie mit besonderer Berücksichtigung des baye- 
rischen Rechtes sofort gegeben werden soll. 
Daß die sog. Freiheits= oder Grundrechte der Hauptsache nach wirkliche, durch die 
Nechtsordabn begründete, dem Staate und seinen Organen gegenüber wirksame Rechte der 
Unterthanen sind, welche deren persönliche Freiheit sichern und zur Abwehr gegen Ueberschreitung 
bestimmter, der Staatsgewalt zumeist aus besonderen geschichtlichen Gründen gezogener Schranken 
dienen sollen, daß sie insoferne also jedenfalls mit einem ganz bestimmten rechtlichen Inhalte ver- 
sehen sind, scheint ebenso gewiß angenommen werden zu müssen, als anderseits anzuerkennen ist, bab 
nicht aus allen in den modernen Versassungsurkunden unter dem Gesichtspunkt der Rechte der 
Unterthanen aufgestellten Rechtssätzen auch wirkliche Rechle entspringen und daß es allerdings 
unter Umständen im Einzelnen zweifelhaft. sein kann, ob die Anerkennung eines bestimmten 
Rechtes errfolgt ist oder nichl. Was in dieser Hinsicht von Schulze, preuß. Staatsrecht I. 
1872 S. 537 ff. und im Lehrb d. D. Stlaatsor. 1. S. 366 ff. und G. Meyer, Lehrb. 
Staatsr. S. 366 ff. und neuerdings namentlich von Gierke in Schmoller's Jahrbuch f. Geset- 
gebung, Verwaltung und Volkswirthchaft im Deutschen Reich VII. Jahrg. 1883 S. 1132 ff. und 
E. Löning, Lehrb. d. deutschen Verwaltungsrechts Leipz. 1884 S. 11 ff. in zum Theile ver- 
schiedener Wendung, der Hauptsache uch aber übereinstimmend ausgeführt ist, scheint mir den 
#egentheiligen Ausführungen von H. A. Zachariae, deutsches Staats= und Bundesrecht Bd. I. 
3. Aufl. S. 443, Gerber, über öffentl. Rechte Tüb. 1852 S. 76 ff. und Grundzüge d. deutschen 
Staatorechta 3. Ansl. Leipz. 1880 S. 34 und Laband, Staaterecht I. S. 149 l. gegenüber 
überzeugend und auch durch Seydel, welcher in seinem bayer. chr 1 S. 571 ff. im 
Unschlusse an die Ausführungen in seinen Grundzügen einer allgemeinen Staatslehre S. 49 
die Existenz der Grund= oder Freiheitsrechte verneint, und Leuthold, öffentl. Interesse und 
öffentl. Kiage, im Verwaltungsrecht, in den Annalen des Deutschen Reichs von Hirth und 
Seydel 1884 S. 365 ff., nicht widerlegt zu sein. 
Die Frage nach der Natur der sog. Freiheitsrechte kann vom allgemeinen wissenschaftlichen 
Standpunkte hier nicht eingehend behandelt werden. Jedenfalls aber bietet die positive Gestal- 
lung des bayerischen Staatsrechtes bestimmte Anhaltspunkte für die Auffassung derselben 
als wirklicher Rechte. Wenn es schon nicht als ganz bedeutungslos erscheinen kann, daß die V.-U. 
in Tit. IV eine Anzahl der hier einschlagenden Rechtssätze unter der Ueberschrift: Von allge- 
meinen Rechten und Pflichten enthält, daß das Vereinsgesetz vom 26. Februar 1850 Art. 1 
und 11 allen Staatsangehörigen das „Recht“ zuspricht, sich friedlich und ohne Waffen zu ver- 
sammeln und Vereine ohne vorgängige Erholung polizeilicher Erlaubniß zu bilden, so daß also 
eine Auffassung, welche aus diesen Rechtsbestimmungen bestimmte Rechte der Unterthanen 
ableitet, mit dem Sprachgebrauch und wohl auch mit der Absicht des Gesetzgeber in Einklang 
sleht, so ist anderseits bei der Neuordnung der Verwaltungsr echtspfleg n Bayern durch das 
Geseh vom 8. August 1878 der Mehrzahl der sog. Freiheitsrechte ein bescnmter Nechtoschu 
verliehen ur und so die Natur derselben als wirklicher Rechte anerkannt worden?). Daß dur 
1) Fur die Natur der Freiheitsrechte als wirklicher Rechte erklären sich auch Pözl, Ver- 
fassungsrecht 5. Aufl. S. 79 Anm. 1, v. Stengel, die Organisation der preuß. Verwaltung S. 35 
und, allerdings nicht ohne eine gewisse Bichraͤnlung auch Gareis in diesem Handbuche I. 1. 
S. 151 ff. und v. Sarwey, d. öffentl. Recht S. 419 ff., Staatsrecht d. Kgr. Wurttemberg I. 
S. 173 ff. und in diesem Handb. I. u. S. 119 ff. neuestens auch Merkel, jurist. Encyklopädie. 
Berlin u. Leipz. 1885 § 150 ff. S. 84 ff., § 438 ff. S. 206 ff. Vgl. auch ## zur Methodik 
des öffentl. Rechts. Wien 1452#7 E- . aus Urw hntn Zeitschrift f. d . Privat- und öffentl. 
Recht der Gegenwart Bd XII. 
2) Es scheint dies bei dem Velageseb umsomehr zuzutreffen, als vor dem Jahre 1848 in 
der staatlichen Praxis. Bayerns die Vereinsfreiheit entschieden nicht. buerkannt war. Vgl. ## s 
Commentar zum Vereinsges. in Dollmann, Gesetzgebung Th. II. 4 S. 432 ff. 516 . 
3) Zum alzergrößten Theile handelt es sich dabei um Telnntn rechissachen 
nach Art. 8 des Ges., als welche hier „alle bestrittenen Rechtsansprüche und Verbind- 
lichkeiten in nachbenannten Angelegenheiten bezeichnet werden. Als der Aufzählung der 
Gegenstände der Verwaltungsrechtspflege in dem zum Gesetze erhobenen Regierungsentwurf zu 
Grunde liegendes allgemeines Prinzip wird in den Motiven zu demselben (Verhandlungen d. K. 
1877/88 Beil. Bd. III. S. 9) angegeben, „daß soweit nur immer thunlich, alle Streitig- 
keiten über öffentliche Rechte und Pflichten, welche durch Gesetz oder sonstihe klare 
Handbuch des Oesfentlichen Rechts. 11I. 1. 1. 
 
	        
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