82 Vogel, das Staalsrecht des Königreichs Bayern. 811.
den in dieser Weise gewährten Rechtsschutz der Umfang der als solche anzuerkennenden Freiheits-
rechte nicht als begrenzt gedacht werden muß, ergibt sich aber doch wohl daraus, daß den auf
solche Weise nicht geschützten, hier in Betracht kommenden Befugnissen, zum Theile wenigstens, in
anderer Weise ein Rechtsschutz gegeben ist!), theils aus der Erwägung, daß nach der Natur und
geschichtlichen Entwickelung jedenfalls des öffentlichen Rechts die Gewährung eines besonderen
rechtlichen Schutzes für die Anerkennung eines in der Rechtsordnung begründeten Rechts, dem
andererseits eine rechtliche Pflicht entspricht, nicht als eine unbedingt nothwendige Voraussetzung
gelten kann?).
Allein wie man auch die Frage nach der rechtlichen Natur der Grundrechte beurtheilen
möge, die Rücksicht auf die Bedeutung der Rechtssätze, aus denen man sie abzuleiten pflegt, für
die positive geschichtliche Ausprägung des Gedankens der konstitutionellemonarchischen Slaatsform
im bestimmten einzelnen Staate, für die Auffassung des Rechtsverhältnisses der Unterhanen in
seiner charakteristischen Gestaltung dem Einzelstaate wie dem Reiche gegenüber, läßt es doch
jedenfalls als durchaus gerechtfertigt, ja wohl als geboten erscheinen, die einzelnen hier in Be-
tracht kommenden „Freiheiten" im Zusammenhange darzustellen und zwar mit Rücksicht auf das
Maß und die Beschränkungen, mit denen die Anerkennung dieser Freiheiten erfolgt ists)
#§*# 11. Die Rechte der Unterthanen. Fortsetzung: Die einzelnen sog. Frei-
heitsrechte. I. Sicherheit der Person und ihrer Rechte. Der schon in anderm
Zusammenhange (oben S. 79) erwähnte Satz (in Tit. IV. § 8 Abs. 1 der V. U.):
„der Staat gewährt jedem Einwohner Sicherheit seiner Person, seines
Eigenihums und seiner Rechte“") soll nicht blos in allgemeiner Weise den Schutz
des Staates für die Sicherheit der Person und ihrer Rechte, namentlich ihrer Ver-
mögensrechte zusichern, sondern auch eine Schranke bilden gegen willkürliche und
ungeordnete Beeinträchtigung der persönlichen Sicherheit und gegen willkürliche Ent-
ziehung von Vermögens= und anderen Rechten oder willkürliche Beschränkung im Genusse
solcher durch Organe des Staates selbst.
1. Sicherheit der Person. a) Verbot der Ausnahmegerichte. Der
in dieser letzteren Richtung verrfassungsmäßig festgestellte Grundsatz der Sicherheit der
Person wird näher ausgeführt durch zwei sich sofort anschließende Vorschriften der
U: „Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden.
Niemand darf verfolgt oder verhaftet werden als in den durch die
Gesetze bestimmten Fällen und in der gesetzlichen Form“ (V.-U. Tit. IV.
§ 8 Abs. 2, 3 5).
Die erste dieser beiden Vorschriften ist nunmehr aber ersetzt durch die fast
gleichlautende Bestimmung in § 16 des R. G. V. G. vom 27. Jan. 1877: „Niemand
Rechtsnormen der freien Disposition der Verwaltungsbehörden entzogen und nicht in anderer Weise
geschützt sind, dem Gebiete der Verwaltungsrechtspflege überwiesen wurden.“ Zu den unter ver-
waltungsrichterlichen Schutz gestellten Rechten werden weiterhin „namentlich auch sogenannle politische
Rechte z. B. das Aufenthalts= und Vereinsrecht“ (welche hier also in nicht allgemein
üblicher Weise als politische Rechte bezeichnet werden) gezählt. Auch die Berichterslatter der beiden
Kammern bezeichnen als Gegenstand der Verwaltungsrechtspflege die aus dem öffentlichen Vechte
Prvorgehme Rechte (Befugnisse) und Pflichten. Vgl. die Verhandlungen 1877.78 der K. d. R.
Beil. B 1 384 ff. und der K. d. A. Beil. B. III. S. 165; vgl. auch noch den Commentar
zu dem Eesete. vom 8. Aug. 1878 von Krais S. 27 ff.
1) Ich denke hier vor allem an die Beschwerde zum Schutze -anstikutionelllr Rechte nach
Tit. VII. 9“ ?n der V.-U. (Ges. v. 19. Jannar 1872 Abth. II. Ziff. 2
2) Val. auch Binding in der krit. Vierteljahresschrift f. Esttnebung und Rechtswissen-
schaft Bd. “- S. 575, L. Seuffert in Grünhuts Zeitschr. Bd. . 617
3) Ueber die Bedeutung. der Anerkennung der Grund= oder JeS e im Allgemeinen
und namentlich im constitutionell-monarchischen Staate vgl. noch außer Schulze, Lehrb. d d.
Staatsr. I. S. 367 ff. und Zorn, Reichsstaatsr. I. S. 275, die Auesührung von Stahl, Rechls-
und Siaatelehr- (Philosophie des Rechts.) 2. Abth. 3. Aufl. 1856 S. 525 ff.
Der entsprechende Satz in der Constitution von 1808 Tit. I. § 7 lantet: „Der Staat
gewübrt allen Staatsbürgern Sicherheit der Personen und des Eigenthums.“
5) Dar erste dieser beiden Sätze findet sich, allerdings in etwas anderer Fassung („der König
kann — — viel weniger eine Partei ihrem gesepßlichen Richter entziehen") in der Constitution
u 1808 Tit. V. § 4, der zweite entspricht fast wörtlich dem Art. 4 der Charte von 1814.