6 11. Die Rechte der Unterthanen. 87
weisen auf das in Art. 106 Abs. 4. 5 des Polizeistrafgesetzbuches anerkannte Recht der Polizei-
behörde zu zwangsweiser Vorführung von widerrechklich den Antritt oder die Fortsetzung
des Dienstes verweigernden Dienstboten oder ohne genügenden Rechtfertigung sgrund zur
Ernte= oder zur Saat= und Ausbauzeit aus der Arbeit getretenen, auf längere Beic in Beschäf-
tigung genommenen landwirthschaftlichen Taglöhnern an die Dienstherrschaft auf dieser
oder ihrers Stellvertreters Antrag und die gleiche durch § 130 der Gewerbeordnung für das
Deutsche Reich gegenüber rechtswidrig ohne Zustimmung des Lehrherrn aus der Lehre getretenen
Lehrlingen begründete Befugniß der Polizeibehörde zu deren zwangsweiser Zurückführung 7.
Daß endlich zwangsweise Vorführung, Festnahme und selbst provisorische Verhaftung auch aunter
den gesetzlichen Zwangsmitteln begriffen sind, zu deren Anwendung Art. 21 Abs. 2, 22
des otleerusgesehbuche) die Behörden der inneren Verwaltung in allgemeiner Weise ermächtigt,
um Verfügungen zur Ausführung zu bringen, die sie innerhalb ihrer Zuständigkeit zum
Vollzuge von Gesetzen oder (diesen in Art. 22 gleichgestellten) landesherrlichen Verordnungen?),
deren Uebertretung nicht mit Strafe bedroht ist, an bestimmte Personen erlassen und diesen
eröffnet haben 2), kann nach dem Zwecke dieser gesetzlichen Bestimmung, den in Frage stehenden
Verwaltungsverfügungen die nothwendige Sicherheit des Erfolges zu gewähren, wie nach der
Geschichte derselben ), nicht zweifelhaft sein. Ausdrücklich ist „Beschwerde“ an die „höheren
Stellen“ gegen die Androhung der Vorkehrung folcher zwangsweise durchzuführender Vollzugs-
maßregeln für zulässig erklärt, sie soll jedoch in dringenden Fällen keine aufschiebende
Wirkung haben (Art. 21 Abs, 5).
Das Reichsstrafgesetzbuch enthält eine besondere Strafbestimmung für
Beamte, welche vorsätzlich, ohne hiezu berechtigt zu sein, eine Verhaftung, vorläufige
Festnahme oder Zwangsgestellung vornehmen oder vornehmen lassen (8 341).
4) Hausrecht, Post= und Telegraphengeheimniß. Das mit dem Prinzip
der persönlichen Sicherheit enge zusammenhängende sog. Hausrecht, die Sicherheit
„der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitzthums“ gegenüber unbe-
sugtem Eindringen und Verweilen hat allerdings in der bayerischen V.-U. keine aus-
drückliche Anerkennung gefunden, ist aber gleichwohl auch in Bayern zu praktischer
Anerkennung gekommen. s§ 342 des Reichsstrafgesetzbuches bedroht Beamte, welche in
Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung ihres Amtes einen Hausfriedensbruch
begehen, mit besonderer Strafe. Die Voraussetzungen, unter denen ein solches Eintreten
(Eindringen) und Verweilen im Interesse der Erfüllung staatlicher Aufgaben durch
Organe des Staats rechtmäßiger Weise erfolgen lann, ergeben sich zum Theile aus der
Natur bestimmter staatlicher Geschäfte (Vollzug von Ladungen und sonstigen amtlichen
Zustellungen, von Zwangsvollstreckungen) von selbst, haben aber zum Theile eine
bestimmte Regelung theils reichsgesetzlich theils landesgesetzlich gefunden.
Im Einzelnen handelt es sich hier um Durchsuchung zum Zwecke der straf-
gerichtlichen Verfolgung einer verdächtigen Person und der Auffindung von Beweis-
1) Zuständig sind in allen letzterwähnten Fällen die Orts= oder Distristspollgeibehörden,
in München die Polizeidirektion. V.-O. vom 4. Jan. 1872 (N.-B. und 30, der
auf Gew.-Ord. 8 zo Gnalog anzuwenden ist; vgl. N. Landmann, die S on für d. D.
Reich. Nördl. 188.
2) Sofern 7 sich aimith umzur Zeit bestehende, giltige Verordnungen oder um künftig
zum Zwecke ihrer Revision oder auf Grund eines besonderen Vorbehalts in einem Gesetze zu diesem
ergehende Verordnungen handelt.
3) Dasselbe gilt von competenzmäßigen Verfügungen zum Vollzuge einzelner, nicht mit
Strasbestimmungen versehener Anordnungen eines Geseßes, dessen übrige Vorschriften unter
Strafdrohungen gestellt sind, sindet aber keine Anwendung auf den Vollzug von Verordnungen,
die eine Mehrheit von mur zum Theile durch Strafbestimmungen geschützten Anordnungen enthalten.
Polizeistraszef. B. Art. 21 Abs. 7, 22. Abs. 3.
4) gl. die ge a1 00 im Commentar von Risch (in Dollmann's Gesetzgebung
des Kgr. Bayern Th. III. Bd. 3. S. 151 ff.) zum Einführungsges. zu den Strafgesetzbüchern
von 1861, dessen Art. 28—30 fast wörtlich in den Art. 21. 22 des Polizeistrafges.--B. von 1718
wiedergegeben sind. Als gesehliche Zwangsmittel erscheinen die gesetzlich nicht untersagten
vgl. Edel's Commentar zum Pol. Strasges. B. von 1871 (Dollmann, Th. III. B. 5) S. 106 ff.;
vgl. auch Reger, Polizeistrafgesetzgebung S. 119 ff. 253. Ueber die Anwendbarkeit der erwähnten
Art. 21 u. 22 auf Verfügungen der Gemeindebehörden voal. Art 99 u. 143 der diesrhein, und
Art. 77 der pfälz. Gemeindeordnung, dazu die Novellen vom 19. Jan. 1872 zur diesrhn. Art. 7
und zur pfälz. Gemeindeordnung, Art. 5.