90 VIII. Die Zeit der Fremdherrschaft.
Soldaten, die die ihnen obliegenden Pflichten nach Kräflen erfüllen und
dudurch den Beifall und das Lob ihrer Vorgesetzten erlangen, sollen nach
Maßgabe ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse ohne Rücksicht auf ihre Ge-
burt zu Offizieren bis zum höchsten Grade befördert werden. Es soll
kein Soldat künftig durch Stockschläge bestraft werden, der nicht wegen
eines schweren und entehrenden Verbrechens oder Vergehungen zu der-
jenigen Klasse verurteilt und herabgesetzt worden ist, bei welcher allein
noch körperliche Züchtigung stattfindet. Ebenso fällt die Strafe des
Gassenlaufens gänzlich weg'. Das Werben im Auslande hörte
nun auf; Zopf, Locke und Puder wurden verbrannt, und jeder Soldat
erhielt eine zweckmäßigere Kleidung und Bewaffnung. Ebenso wurde
Napoleons neue Kampfesweise eingeführt.
2. Die allgemeine Wehrpflicht, die durch Friedrich Wilhelm III.
eingeführt wurde, hat ein hannoverscher Bauernsohn. Gerhard David
Scharnhorst, erdacht. In seinen Knabenjahren besuchte Gerhard die
Dorfschule, hütete wie andere Dorfkinder Kühe uno Schafe, fischte
oder trieb sich auf dem Felde umher. Der Vater schickte ihn später
in die Militärakademie. Hier war Gerhard so eifrig, daß er bald
Offizier wurde. Da Scharnhorst in Hannover keine Aussicht auf Be-
förderung hatte, so trat er im Jahre 1801 in Preußens Dienst und
begann nach dem Frieden von Tilsit die Herausbildung der allgemeinen
Wehrpflicht. Durch diese wurde es möglich, ein Heer aufzustellen,
das jederzeit marsch= und schlagfertig ins Feld rücken konnte.
3. Sollten die Bürger sich mit größerer Liebe als bisher dem
Dienste des Vaterlandes weihen, so mußte auch ihnen größere Freiheit
und größere Teilnahme an der Verwaltung zugestanden werden. Daher
erschien am 19. November 1808 die Städteordnung, die das Er-
forderliche für sämtliche Städte der preußischen Monarchie enthielt. —
Die vollständige Befreiung des Bauernstandes war ein ebenso not-
wendiges Bedürfnis für die Wohlfahrt unseres Volkes. Daher erließ
König Friedrich Wilhelm III. folgenden Befehl: „Jeder Einwohner
unserer Staaten ist zum eigentümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher
Grundstücke aller Art berechligt; der Edelmann also zum Besitz nicht
bloß adeliger, sondern auch unadeliger, bürgerlicher und bäuerlicher
Güter aller Art, und der Bürger und Bauer zum Besitz nicht bloß
bürgerlicher, bäuerlicher und anderer unadeliger, sondern auch adeliger
Grundstücke, ohne daß der eine oder der andere zu irgend einem
Gütererwerbe einer besonderen Erlaubnis bedarf. Jeder Edelmann
ist befugt, bürgerliche Gewerbe zu treiben, und jeder Bürger und
Bauer ist berechtigt, aus dem Bauern= in den Bürger= und aus dem
Bürger= in den Bauernstand zu treten. Mit dem Martinitag 1810
hört alle Gutsunterthänigkeit in unsern sämtlichen Staaten auf. Nach
dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute"“ Damit war in
Preußen der letzte Rest der alten Lehensherrschaft beseitigt; die übrigen
Staaten folgten früher oder später nach.
4. Um das Zustandekommen der preußischen Städteordnung und
um die endliche Bauernbefreiung hat sich der Minister Freiherr vom