Full text: Deutsche Geschichte für Schule und Haus nach den Forderungen der Gegenwart für das Königreich Bayern.

120 IX. Die Zeit des Ringens nach Einheit und Freiheit. 
–—–. — 
120. Kaiser Friedrich III. 
1888. 
1. Friedrich III., Wilhelm I. Sohn, hat als Kronprinz an dem 
Werke der Einigung des deutschen Volkes teilgenommen. Durch sein 
freundliches Wesen, seine Tüchtigkeit als Feldherr und seine helden- 
hafte Gestalt ist er der Liebling des deutschen Volkes geworden. — 
Der 18. Oktober 1831 ist sein Geburtstag. In Glück und Frieden 
floß die Kindheit des Prinzen dahin. Im siebzehnten Lebensjahre bezog 
er die Univerfität Bonn. Nach Vollendung seiner Studien unternahm 
er Reisen. Dann trat er in den praktischen Dienst. Als dies ge- 
schah, sprach der Vater zu den Offizieren: „Ich übergebe Ihnen 
meinen Sohn in der Hoffnung, daß er Gehorsam lernen wird, um 
einst befehlen zu können. Ich hoffe, er wird seinem Namen und 
seiner Armee Ehre machen" Zu seinem Sohne aber sprach er: „Thue 
Deine Schuldigkeit!“ Und er hat sie gethan. 
2. Im Jahre 1858 vermählte sich Friedrich Wilhelm mit der 
Prinzessin Viktoria von England. Als sein Vater im Jahre 1861 
König von Preußen wurde, erhielt Friedrich Wilhelm den Titel: „Kron- 
prinz von Preußen". Seine Kinder erzog der Kronprinz in Liebe 
und Ernst. Gein spielte er mit ihnen umher, duldete jedoch niemals 
Unarten. Alljährlich fanden im Schloßgarten zu Potsdam Kinder- 
feste statt, wozu auch die Kinder des nahen Dorfes Bornstedt geladen 
wurden. Der Kronprinz bewegte sich dann fröhlich unter der fröh- 
lichen Kinderschar; und die Kronprinzessin war wie eine geschäftige 
Hauemutter bald hier, bald da, um überall nach dem Rechten zu 
sehen. In der Schwimmanstalt zu Potsdam durften die Knaben auch 
mit dem Kronprinzen baden. Wie kleine Fische schwammen sie um ihn 
her; und manchmal nahm er einen Vorwitzigen unter seinen Bade- 
mantel und tauchte mit ihm unter, während die Ubrigen jubelten. 
3. Mit den Soldaten teilte der Kronprinz im Kriege alle Freuden 
und Leiden. Nach dem Kampfe besuchte er die Verwundeten in den 
Lazaretten, und war dabei, wenn sich die Gräber für die gefallenen 
Helden öffneten. Mit blutendem Herzen zog er in den Krieg gegen 
OÖstreich; denn er ließ einen todkranken Sohn daheim und erhielt 
unterwegs die Nachricht, daß sein Liebling gestorben sei. Am Abend des 
Tages von Königgrätz trafen Vater und Sohn auf dem Schlachtfelde 
zusammen. Unter Freudenthränen schloß der König seinen ritterlichen. 
Sohn in die Arme und heftete ihm den Orden pour le mérite auf 
die Brust. Als der Krieg gegen Frankreich begann und der Kron- 
prinz durch Süddeutschland reiste, wurde er überall mit Jubel begrüßt; 
besonders erhebend gestaltete sich sein Empfang in München. Nach 
der Kaiserproklamation in Versailles war Friedrich Wilhelm Kronprinz 
des deutschen Reiches geworden. 
4. Mit großer Hoffnung sah das deutsche Volk auf ihn, 
als das hohe Alter Wilhelms I. an des Menschen Sterblichkeit 
—.
	        
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