130 I X. Die Gegenwart.
Er wird durch Wahl der Gemeinde und Bestätigung der Regierung
in sein Amt gesetzt. Die Gemeindeverwaltung ist in den verschiedenen
deutschen Bundesstaaten verschieden gestaltet. Im Königreich Bayern
kann in den Gemeinden, die nach der Landgemeindeordnung verwaltet
werden, jeder unbescholtene Maun, der in der Gemeinde ansässig ist
und das vorgeschriebene Alter erreicht hat, die Stelle des Bürgermeisters
einnehmen, in den unmittelbaren Städten dagegen nur ein Mann,
der die Rechtswissenschaften studiert und die vorgeschriebenen Prüfungen
abgelegt hat. Dem Landbürgermeister steht die Gemeindeverfammlung
oder der Gemeindeausschuß dem Stadtbürgermeister der Magistrat und
das Gemeindekollegium helfend und beratend zur Seite. Gemeinde-
ausschuß, Magistrat und Kollegium werden ebenfalls durch Wahl auf
ihre Posten erhoben; sie haben deshalb bei Wartung ihres Amtes die
Wünsche ihrer Wähler und die Vorschriften der Regierung nach Mög-
lichkeit zu berücksichtigen. Zur Wahrung der öffentlichen Ordnung
und Sicherheit dient die Polizei. Zur Schlichtung von Streitigkeiten
unter den Gemeindegliedern sind aus der Mitte der Gemeinde ein
oder mehrere Schiedsmänner gewählt, die in besondern Terminen die
Hadernden zu versöhnen und dadurch größere Kosten und größeres
Argernis von ihnen abzuwenden suchen. Alle Gemeindebeamten be-
dürfen der Bestätigung der Regierung. In Städten und größern
Dörfern wohnen gewöhnlich auch Arzte, desgleichen sind Apotheken
vorhanden, in denen den Kranken Arzneien zur #inderung und Ge-
nesung bereitet werden. Arzt und Apotheker sind keine Beamte. Alle
Gemeindebeamte, die ihr Amt nicht als Ehrenamt verwalten, werden
von der Gemeinde besoldet. »
2. Die Gemeinde hat die Pflicht, keins ihrer Glieder zu ver-
säumen; darum gehört es zur Ordnung einer Gemeinde, daß sie sich
ihrer Witwen und Waisen, Armen und Kranken erbarmt. Ein Waisen-
rat sorgt deshalb für die Vormundschaft verwaister Kinder; zur Armen-
und Krankenpflege sind gewöhnlich besondere Häuser errichtet.
3. Jede Gemeinde hat neben dem Eigentume ihrer einzelnen
Glieder auch öffentliches Eigentum, z. B. die Straßen, Wege und
Plätze in und bei dem Orte, die Sträucher und Bäume darauf,
Mineralien darin, die öffentlichen Gebäude: Kirche, Schule, Rathaus,
Krantenhaus, sowie Feld und Wald. Alle diese Dinge kosten Geld
und bringen zum Teile auch wieder Geld ein. Das Gemeindegeld
verwaltet gewöhnlich ein besonderer Beamter, der Kämmerer oder
Rechnungsführer genannt wird. Wenn die Ausgaben nicht aus den
Erträgen des Gemeindeeigentums gedeckt werden können, wird das
Fehlende durch Gemeindesteuern und nötigenfalls durch Staatszuschüsfse
aufgebracht. Die Steuern werden nach Maßgabe des Vermögens der
einzelnen Familien und Gemeindeglieder verteilt und durch den
Kämmerer oder Rechnungsführer erhoben.